Antonella Iannaccone ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Als Oberärztin arbeitet sie in der Pränatalambulanz der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsmedizin Essen. Einer ihrer Schwerpunkte ist spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin.
Seit Mitte Mai 2021 empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) sowie weitere Fachgesellschaften eine Covid-19-Impfung für Schwangere und Stillende. Zuvor hatten Ärzte werdenden Müttern nur in Einzelfällen zur Impfung geraten. Wie kam es zu dem Umdenken?
Antonella Iannaccone: Grund dafür ist eine neue Studie aus den USA. Für die Studie wurden Daten von Schwangeren ausgewertet, die geimpft wurden. Dabei hat man gesehen, dass durch den mRNA-Impfstoff nicht mehr Komplikationen aufgetreten sind, als bei Frauen, die nicht geimpft wurden. Vorher waren die Ärzte vorsichtiger mit der Empfehlung einer Covid-Impfung in der Schwangerschaft, weil belastbare Daten einfach gefehlt haben.
Warum gibt es keine offizielle Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO)?
Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, das für Deutschland Impfempfehlungen ausspricht. In einer Pressemitteilung der STIKO aus dem Mai 2021 heißt es:
„Alleine auf Grundlage der kürzlich publizierten Beobachtungen aus den USA wird die STIKO keine generelle Impfempfehlung für Schwangere aussprechen. Der freien Entscheidung der Schwangeren für eine Impfung soll jedoch durch die aktualisierte STIKO-Empfehlung mehr Raum gewährt werden.“
Was bedeutet das?
Aufgrund zu weniger Daten gibt es aktuell noch keine Empfehlung. Sollte sich die Datenlage verbessern, könnte es auch sein, dass die STIKO die Impfung für Schwangere zukünftig empfehlen wird.
Werbung
Kann der Impfstoff zu Frühgeburten oder Fehlbildungen des Ungeborenen führen?
Auch im Hinblick darauf gab es innerhalb der Studie keine Auffälligkeiten. Das heißt, dass Frühgeburten bei geimpften Schwangeren genauso häufig auftraten wie bei ungeimpften Frauen.
Inwiefern kann eine COVID-19-Infektion für Schwangere gefährlich sein?
Insgesamt sind Schwangere relativ junge Frauen, die deshalb eine niedrige Sterblichkeit bei einer Coronavirus-Infektion haben. Dennoch ist die Sterblichkeit schwangerer COVID-Patientinnen höher als die von Frauen, die kein Baby erwarten. Auch schwere Verläufe kommen vermehrt vor. Das heißt, dass die werdenden Mütter auf der Intensivstation behandelt versorgt werden müssen und dort künstlich beatmet oder sogar an der Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden müssen. Außerdem kann es bei einer COVID-Infektion in der Schwangerschaft häufiger zu Frühgeburten, Schwangerschaftshochdruck (Präeklampsien) und Blutgerinnseln (Thrombosen) kommen.
Ist das Neugeborene erstmal immun, wenn die Mutter einen Impfschutz hat?
Wenn eine werdende Mama in der der Schwangerschaft geimpft wird, ist das Neugeborene möglicherweise vor einer Infektion geschützt. Vor allem, wenn die Impfung im letzten Drittel der Schwangerschaft stattfindet. Wobei hier die Datenlage aktuell noch dünn ist. Aber man hat bei den Neugeborenen, deren Mütter einen Impfschutz hatten, Antikörper gefunden. Inwiefern sie ausreichen, um die Babys vor einer Infektion zu schützen, ist momentan noch unklar.
Sollten Stillende für den Impftermin eine Stillpause machen bzw. Muttermilch abpumpen?
Wenn eine Mutter stillt und geimpft werden möchte, muss sie nicht aufhören zu stillen. Es ist sicher, dass der mRNA-Impfstoff nicht in die Muttermilch übergeht. Dennoch gelangen Antikörper in die Milch, die wertvoll sind, weil das Kind dadurch möglicherweise auch geschützt ist.