Kopfschmerzen sind nicht gleich Kopfschmerzen. Es gibt eine Vielzahl von Formen, die unterschiedlich therapiert werden. Bei Clusterkopfschmerzen helfen keine gängigen Schmerzmittel. Wie Patienten das belastende Pochen im Kopf in den Griff bekommen und woran Sie Clusterkopfschmerzen erkennen, erklärt unsere Expertin Professor Dagny Holle-Lee im Interview.
Frau Holle-Lee, was unterscheidet Clusterkopfschmerzen von gängigen Kopfschmerzen, die jeder mal hat?
Wie die Migräne gehören Clusterkopfschmerzen zu den sogenannten primären Kopfschmerzen. Das bedeutet, dass sie nicht Begleiterscheinung eines anderen gesundheitlichen Problems sind, wie etwa einer Erkältung. Der Kopfschmerz selbst ist die Krankheit. Diese Formen unterscheiden Ärzte nach der Länge der Schmerzattacken. Bei Clusterkopfschmerzen dauert die Attacke zwischen 15 und 180 Minuten an. Im Vergleich: Von einer Migräne sprechen Mediziner erst ab vier Stunden Attackenlänge. Sie kann bis zu 72 Stunden anhalten.
Typisch für den Clusterkopfschmerz ist darüber hinaus, dass er immer nur einseitig auftritt, also eine Kopfhälfte betrifft. Die Schmerzen treten plötzlich auf und häufig stets zur selben Uhrzeit. Manche Patienten beschreiben sie als stechend, andere als brennend oder bohrend. Oft tränt während der Schmerzattacken ein Auge, das Augenlid hängt, die Nase läuft oder ist verstopft. Betroffene können auch eine innere Unruhe empfinden.
Schätzungen zufolge haben rund 120.000 Menschen in Deutschland Clusterkopfschmerzen, etwa zweimal so viele Männer wie Frauen. Die Dunkelziffer ist hoch. Der Name leitet sich vom englischen "Cluster" für "Anhäufung" ab, weil er meist in Perioden – oft im Frühjahr und Herbst – auftritt, dann aber auch für Monate oder Jahre verschwinden kann. Selten kann der Cluster-Kopfschmerz auch chronisch ohne Pausen verlaufen. Die erste Episode tritt oft mit rund 40 Jahren auf.
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Wie entstehen Clusterkopfschmerzen?
Wir kennen die Ursachen für Clusterkopfschmerzen noch nicht genau. Wahrscheinlich spielt eine genetische Komponente eine wichtige Rolle. Die Krankheit scheint also zumindest teilweise vererbt zu sein. Da die Attacken häufig zu den immer gleichen Tages- oder Jahreszeiten auftreten, diskutieren Experten eine Fehlsteuerung der inneren Rhythmik.
In seltenen Fällen können Clusterkopfschmerzen auch Symptom einer anderen Erkrankung sein, zum Beispiel einer Verletzung eines Blutgefäßes am Hals oder eines Tumors. Deshalb sollten Patienten unbedingt einen Arzt aufsuchen und eine ausführliche Diagnostik machen lassen.
Unsere Expertin für Cluster-Kopfschmerzen
Prof. Dr. Dagny Holle-Lee, Neurologin und wissenschaftliche Leiterin des Westdeutschen Kopfschmerzzentrums am Universitätsklinikum in Essen
Was hilft gegen Clusterkopfschmerzen?
Gängige Schmerzmittel gegen Kopfweh, wie Ibuprofen oder Aspirin, lindern Clusterkopfschmerzen nicht. Die Medikamente müssen sehr schnell wirken, da die Attacken kürzer sind. Sie werden entweder in das Unterhautfettgewebe gespritzt (Sumatriptan) oder als Nasenspray verabreicht (Zolmitriptan). Außerdem lindert bei vielen Patienten hundertprozentiger Sauerstoff die Attacken. Er wird über eine spezielle Mund-Nasen-Maske verabreicht.
Es gibt auch die Möglichkeit präventiv zu behandeln. Wie lassen sich Clusterkopfschmerz-Attacken verhindern?
Kortison setzen wir kurzzeitig ein. Das wirkt sehr schnell. Außerdem verschreiben Ärzte die Wirkstoffe Verapamil oder Lithium, um Attacken vorzubeugen. Bestenfalls führt die prophylaktische Therapie dazu, dass eine Episode mit Schmerzen endet und Patienten monatelang, vielleicht auch über Jahre beschwerdefrei sind.
Auch elektrischer Strom wird gegen Clusterkopfschmerzen eingesetzt. Wie funktioniert das?
Mit einer Operation setzt der Arzt eine Elektrode am Hinterhauptsnerv oder in den sogenannten Flügelgaumennerv am Gaumenbein ein. Darüber stimuliert elektrischer Strom die Nerven. Das kann mögliche Attacken verhindern oder lindern.
Weniger invasiv ist die elektrische Stimulation des Nervus Vagus am Hals, die ebenso bei einigen Patienten wirkt. Operative Eingriffe sollten nur in speziellen Kopfschmerzzentren durchgeführt werden und wenn die gängigen Medikamente nicht helfen, denn sie stellen immer ein Risiko dar.
Besteht die Chance, Clusterkopfschmerzen vollständig zu heilen?
Ist die Erkrankung genetisch bedingt, bleibt das Risiko immer wieder Attacken zu bekommen, hoch. Wir wissen noch nicht, weshalb die Schmerzen phasenweise auftreten. Aber wir können die Beschwerden heute gut behandeln.