Was ist Lipoprotein(a)?
Fast ein ganzes Forscherleben lang ist Lipidologin Steinhagen-Thiessen einem tückischen Blutfett auf der Spur, das Gefäße und Herzklappen vorzeitig altern lässt: Lipoprotein(a), kurz Lp(a).
„Seine schädliche Wirkung auf die Gefäße ist inzwischen zweifelsfrei bewiesen, und dennoch wird Lp(a) noch viel zu selten getestet und als eigenständiger Risikofaktor selbst bei Infarktpatienten ignoriert.“ Dieser „Nihilismus“ ärgert die langjährige Leiterin der Fettstoffwechselambulanz der Berliner Charité und ist zugleich ihr Ansporn.
1/3 aller Todesfälle in Deutschland ist unmittelbar von Herz- und Gefäßleiden verursacht
Eine Besonderheit von Lp(a) hat dazu geführt, dass Ärzte sich bislang kaum für den Risikofaktor interessierten: Sein Auftauchen und die Menge im Blut sind genetisch festgelegt und durch Medikamente bislang kaum zu senken. Auch eine Lebensstiländerung mit viel Bewegung und gesunder Ernährung beeinflusst den Lp(a)-Wert nicht. „Da kann man eh nichts machen! Das denken viele Kollegen“, bedauert Steinhagen-Thiessen.
Zur Verunsicherung der Ärzte trägt auch bei, dass nicht alle Patienten mit Lp(a) zwingend gefäßkrank werden. „Wir schätzen, dass etwa ein knappes Drittel eine eher harmlose Lp(a)-Variante hat“, erklärt Steinhagen-Thiessen. Über die Gefährlichkeit entscheidet die Anzahl sogenannter Kringel, die das Lp(a) umgeben.
Erhöhter Lipoprotein(a)-Werte: Mögliche Folgen
Wichtiger Risikofaktor
Das Lp(a)-Molekül und sein Anteil am Erkrankungsrisiko:
Lipoprotein(a) erhöht unabhängig das Risiko für Erkrankungen von Herz und Gefäßen. Die Anzahl der sogenannten Kringel um das runde Lipoprotein (ähnlich dem LDL-Cholesterin) entscheidet über seine Konzentration im Blut
Erhöhter Lipoprotein(a)-Werte: Familiäres Risiko
Ein Blick zurück in die Familiengeschichte und zu Geschwistern ermöglicht es, die Schädlichkeit des Lp(a) einzuschätzen: „Ich frage meine Patienten nach frühzeitigen Herzinfarkten oder Schlaganfällen bei direkten Verwandten“, berichtet Steinhagen-Thiessen. „Lp(a) wird dominant vererbt und hinterlässt immer seine Spuren in der väterlichen oder mütterlichen Linie.“
Wer sollte sich testen lassen?
Ein Lp(a)-Bluttest ist angeraten:
- bei allen Patienten mit einer Atherosklerose
- bei Patienten mit einer familiären Fettstoffwechselstörung (hohes LDL-Cholesterin)
- wenn Familienangehörige frühzeitig eine Herz- oder Gefäßkrankheit haben
- wenn bei Familienangehörigen das Lp(a) erhöht ist
- wenn eine Atherosklerose voranschreitet, obwohl Blutfette ausreichend gesenkt sind
- bei Personen mit hohem Gefäßrisiko
- bei Lungenembolien, Herzklappenerkrankungen, Aortenaneurysmen
Wie erhöhte Lipoprotein(a)-Werte festgestellt werden
Ein einziger Test reicht aus, um lebenslang Bescheid zu wissen. „Der Hausarzt macht ihn am besten bei einer Routineuntersuchung der Blutfettwerte mit“, so Steinhagen-Thiessen. Das Risiko für eine Koronare Herzerkrankung steigt mit der Lp(a)- Konzentration. Einen eindeutigen Normalwert gibt es nicht, man nimmt jedoch an, dass das Risiko bei Werten über 30 mg/dl (75 nmol/l) erhöht ist.
„Wird bei einem Patienten Lp(a) gefunden und gibt es vorzeitige Infarkte in der Familiengeschichte, sollte eine sorgfältige Untersuchung folgen. Verkalkungen an Halsschlagadern, Herzklappen und Beingefäßen sind mit Ultraschall gut zu beurteilen. Auch die Dicke der Gefäßwände kann genau vermessen und dokumentiert werden. Ob eine minimalinvasive Katheteruntersuchung der Herzkranzgefäße nötig ist, zeigt sich im EGK bei einem Belastungstest des Herzes auf dem Fahrradergometer.Lipoprotein(a) senken
Für Patienten mit fortschreitender Atherosklerose und sehr hohen Lp(a)-Werten kommt als Behandlung derzeit nur eine Blutwäsche infrage.
Herzkrankheiten vermeiden
„Wir kennen jetzt alle wichtigen Auslöser, die Risikofaktoren, und wir haben die Werkzeuge, sie in den Griff zu bekommen“, ist Steinhagen-Thiessen überzeugt.
Die Lipidologin wünscht sich nun, dass alle mithelfen, Gefäßerkrankungen seltener zu machen: Die Ärzte sollten Stoffwechselkrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und sämtliche Blutfette bei ihren Patienten kontrollieren und falls nötig konsequent medikamentös in den Zielbereich senken. Patienten sollten einen gesunden Lebensstil führen, mit Normalgewicht, Nikotinverzicht und viel Bewegung. Die Kontrolle der Risikofaktoren gelingt im Team.