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Blutfett Lipoprotein(a) als Risikofaktor für Herz- und Gefäßerkrankungen

Die Lipidologin Elisabeth Steinhagen-Thiessen mahnt Ärzte und Patienten, die Gefahren für Herz und Gefäße sorgfältiger auszuschalten. Besonders das Blutfett Lp(a) wird als wesentlicher Risikofaktor noch viel zu wenig beachtet.

Veröffentlicht: 2021-11-05T15:41:44+01:00
In Kooperation mit:
Novartis

© Novartis

3D-Computertomographie-Bild eines menschlichen Herzes mit Aorta (Mitte) und Lungenblutgefäßen (rechts und links)

© Science Photo Library

Ein junger Mensch in seinen Vierzigern mit Gefäßproblemen und ohne bekannte Vorerkrankungen, „da müssen alle Alarmglocken läuten“, mahnt Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Senior-Professorin an der Berliner Charité. Viel zu oft mache erst ein dramatischer Notfall an Herz oder Hirn die Betroffenen und ihre Ärzte auf eine unentdeckte Stoffwechselstörung aufmerksam.

Was ist Lipoprotein(a)?

Fast ein ganzes Forscherleben lang ist Lipidologin Steinhagen-Thiessen einem tückischen Blutfett auf der Spur, das Gefäße und Herzklappen vorzeitig altern lässt: Lipoprotein(a), kurz Lp(a).

„Seine schädliche Wirkung auf die Gefäße ist inzwischen zweifelsfrei bewiesen, und dennoch wird Lp(a) noch viel zu selten getestet und als eigenständiger Risikofaktor selbst bei Infarktpatienten ignoriert.“ Dieser „Nihilismus“ ärgert die langjährige Leiterin der Fettstoffwechselambulanz der Berliner Charité und ist zugleich ihr Ansporn.

Elisabeth Steinhagen-Thiessen

ist Senior-Professorin der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Das Molekül wird in der Leber in messbarer Menge gebildet und in den Blutstrom abgegeben. In den mittleren Schichten der Blutgefäßwände reichert es sich als zähe Plaque an, gemeinsam mit LDL-Cholesterin, als „schlechter“ Anteil der Blutfette. Über Jahre entsteht so Atherosklerose, umgangssprachlich Arterienverkalkung genannt. Wachsende Plaques behindern den Blutstrom und können zu schmerzenden Beinen sowie Kurzatmigkeit und Herzschmerzen bei Belastung führen. Reißt eine verhärtete Plaque ein, bildet sich dort ein Gerinnsel und verschließt das Gefäß ganz – mit oft schweren Konsequenzen.

1/3 aller Todesfälle in Deutschland ist unmittelbar von Herz- und Gefäßleiden verursacht

Statistisches Bundesamt (Destatis)

Eine Besonderheit von Lp(a) hat dazu geführt, dass Ärzte sich bislang kaum für den Risikofaktor interessierten: Sein Auftauchen und die Menge im Blut sind genetisch festgelegt und durch Medikamente bislang kaum zu senken. Auch eine Lebensstiländerung mit viel Bewegung und gesunder Ernährung beeinflusst den Lp(a)-Wert nicht. „Da kann man eh nichts machen! Das denken viele Kollegen“, bedauert Steinhagen-Thiessen.

Zur Verunsicherung der Ärzte trägt auch bei, dass nicht alle Patienten mit Lp(a) zwingend gefäßkrank werden. „Wir schätzen, dass etwa ein knappes Drittel eine eher harmlose Lp(a)-Variante hat“, erklärt Steinhagen-Thiessen. Über die Gefährlichkeit entscheidet die Anzahl sogenannter Kringel, die das Lp(a) umgeben.

Erhöhter Lipoprotein(a)-Werte: Mögliche Folgen

Je weniger der molekularen Kringel (a) um das Lipoprotein (Lp) herumgewickelt sind, desto schädlicher ist das Gesamtmolekül, da es in höheren Konzentrationen im Blut vorkommt. Eine kurze Kringelkette am Lp(a) fördert Entzündungsprozesse in den Gefäßwänden und beschleunigt die Blutgerinnung. Die Folge ist eine Neigung zu Thrombosen und Lungenembolien. Reißt eine Gefäßplaque ein, wird gerinnungsförderndes Lp(a) frei und erhöht die Infarktgefahr.

Wichtiger Risikofaktor

Das Lp(a)-Molekül und sein Anteil am Erkrankungsrisiko:

Das Lp(a)-Molekül und sein Anteil am Erkrankungsrisiko

© Oleksiy Aksonov für FOCUS-Gesundheit

Lipoprotein(a) erhöht unabhängig das Risiko für Erkrankungen von Herz und Gefäßen. Die Anzahl der sogenannten Kringel um das runde Lipoprotein (ähnlich dem LDL-Cholesterin) entscheidet über seine Konzentration im Blut

Erhöhter Lipoprotein(a)-Werte: Familiäres Risiko

Ein Blick zurück in die Familiengeschichte und zu Geschwistern ermöglicht es, die Schädlichkeit des Lp(a) einzuschätzen: „Ich frage meine Patienten nach frühzeitigen Herzinfarkten oder Schlaganfällen bei direkten Verwandten“, berichtet Steinhagen-Thiessen. „Lp(a) wird dominant vererbt und hinterlässt immer seine Spuren in der väterlichen oder mütterlichen Linie.“

Wer sollte sich testen lassen?

Ein Lp(a)-Bluttest ist angeraten:

  • bei allen Patienten mit einer Atherosklerose
  • bei Patienten mit einer familiären Fettstoffwechselstörung (hohes LDL-Cholesterin)
  • wenn Familienangehörige frühzeitig eine Herz- oder Gefäßkrankheit haben
  • wenn bei Familienangehörigen das Lp(a) erhöht ist
  • wenn eine Atherosklerose voranschreitet, obwohl Blutfette ausreichend gesenkt sind
  • bei Personen mit hohem Gefäßrisiko
  • bei Lungenembolien, Herzklappenerkrankungen, Aortenaneurysmen

Wie erhöhte Lipoprotein(a)-Werte festgestellt werden

Ein einziger Test reicht aus, um lebenslang Bescheid zu wissen. „Der Hausarzt macht ihn am besten bei einer Routineuntersuchung der Blutfettwerte mit“, so Steinhagen-Thiessen. Das Risiko für eine Koronare Herzerkrankung steigt mit der Lp(a)- Konzentration. Einen eindeutigen Normalwert gibt es nicht, man nimmt jedoch an, dass das Risiko bei Werten über 30 mg/dl (75 nmol/l) erhöht ist.

„Wird bei einem Patienten Lp(a) gefunden und gibt es vorzeitige Infarkte in der Familiengeschichte, sollte eine sorgfältige Untersuchung folgen. Verkalkungen an Halsschlagadern, Herzklappen und Beingefäßen sind mit Ultraschall gut zu beurteilen. Auch die Dicke der Gefäßwände kann genau vermessen und dokumentiert werden. Ob eine minimalinvasive Katheteruntersuchung der Herzkranzgefäße nötig ist, zeigt sich im EGK bei einem Belastungstest des Herzes auf dem Fahrradergometer.

Lipoprotein(a) senken

„Sind schon erste Gefäßschäden sichtbar, ist angezeigt, alle behandelbaren Risikofaktoren – Cholesterin, Blutdruck und Blutzucker – medikamentös zu senken, um das durch Lp(a) erhöhte Risiko zu minimieren“, mahnt die Lipidologin. „Ganz wichtig ist es dann auch, auf das Rauchen zu verzichten.“

Für Patienten mit fortschreitender Atherosklerose und sehr hohen Lp(a)-Werten kommt als Behandlung derzeit nur eine Blutwäsche infrage.

Herzkrankheiten vermeiden

„Wir kennen jetzt alle wichtigen Auslöser, die Risikofaktoren, und wir haben die Werkzeuge, sie in den Griff zu bekommen“, ist Steinhagen-Thiessen überzeugt.

Die Lipidologin wünscht sich nun, dass alle mithelfen, Gefäßerkrankungen seltener zu machen: Die Ärzte sollten Stoffwechselkrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und sämtliche Blutfette bei ihren Patienten kontrollieren und falls nötig konsequent medikamentös in den Zielbereich senken. Patienten sollten einen gesunden Lebensstil führen, mit Normalgewicht, Nikotinverzicht und viel Bewegung. Die Kontrolle der Risikofaktoren gelingt im Team.
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© FOCUS-Gesundheit

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