Zusammenfassung:
- Definition: Eine vorübergehende oder dauerhafte Schädigung des Gesichtsnervs; Lähmung ist meist einseitig und betrifft nur eine Gesichtshälfte
- Formen: periphere und zentrale Fazialisparese; verschiedene Anzeichen, z.B. herabhängender Mundwinkel, Sprechstörungen, Probleme beim Essen und Trinken
- Ursachen: Meist lässt sich keine Ursache finden (idiopathisch), bei peripherer Gesichtslähmung oft Infektionen mit Bakterien und Viren, Tumoren, Diabetes mellitus, Schwangerschaft, Stress; bei zentraler Gesichtslähmung kommt ein Schlaganfall als Ursache infrage (Notfall)
- Behandlung: Gesichtslähmung kann sich von selbst zurückbilden, Therapie hängt ansonsten von der Ursache ab, z.B. Kortison, Antibiotika, antivirale Mittel, Logopädie, Übungen für zuhause
- Welcher Arzt? Schlaganfall ist immer ein Notfall, sofort Notarzt rufen und Behandlung im Krankenhaus (Stroke Unit); In anderen Fällen z.B. Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Neurologe, Allgemeinmediziner
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Was ist eine Gesichtslähmung?
Bei einer Gesichtslähmung ist der Gesichtsnerv, der Nervus facialis, vorübergehend oder dauerhaft geschädigt. Dieser 7. Hirnnerv ist für die Mimik zuständig, aber auch an der Geschmacksempfindung und Geräuschwahrnehmung beteiligt. Er verläuft vom Hirnstamm aus über den inneren Gehörgang bis zur Ohrspeicheldrüse. Dort verästelt er sich und versorgt die mimische Gesichtsmuskulatur.
Aufgrund der Schädigung des Nervs ist die Gesichtsmuskulatur gelähmt. Meist handelt es sich um eine einseitige Gesichtslähmung. Das heißt, dass die Lähmung nur eine Seite des Gesichts betrifft. Dort erschlafft die Muskulatur und eine Gesichtshälfte hängt. Der medizinische Begriff für die Gesichtslähmung ist Fazialisparese.
Medizinische Fachleute schätzen, dass die halbseitige Gesichtslähmung jedes Jahr bei 7 bis 40 von 100.000 Menschen auftritt. Oft betrifft sie Personen zwischen 15 und 45 Jahren. Bei vielen geht die Lähmung von selbst wieder zurück und die Ursache bleibt unbekannt. Aber es sind einige Risikofaktoren für die Gesichtslähmung bekannt, zum Beispiel eine Schwangerschaft. Warum Schwangere öfter betroffen sind, ist noch unklar.
Gesichtslähmung: zwei Formen
Bei der Fazialisparese gibt es zwei verschiedene Varianten, je nach Ort, an dem der Gesichtsnerv in seinem Verlauf geschädigt ist:
- Periphere Fazialisparese: Der Nervenschaden ist auf dem Weg vom Hirnstamm zum Gesicht lokalisiert. Dann ist eine gesamte Gesichtshälfte gelähmt.
- Zentrale Fazialisparese: Der Schaden liegt im Inneren des Gehirns und die zentrale Verschaltung des Nervs ist gestört. Hier bleibt die Stirnmuskulatur beweglich, denn sie wird auch über jenen Nerv gesteuert, der die andere Gesichtshälfte versorgt. Die Gesichtsnervenlähmung betrifft nur einseitig die Region vom Auge bis zum Kinn.
Fazialisparese: Anzeichen
Die Fazialisparese entwickelt sich meist plötzlich innerhalb weniger Stunden. Die Lähmungserscheinungen können verschieden stark ausgeprägt sein – von leicht bis schwer.
Für eine Gesichtslähmung gibt es verschiedene Anzeichen:
- Der Mundwinkel hängt meist nur an einer Gesichtshälfte herab, wenn die mimische Muskulatur geschwächt oder gelähmt ist.
- Die Augenbraue senkt sich nach unten.
- Es treten Sprechstörungen auf.
- Betroffene haben Schwierigkeiten beim Essen und Trinken, obwohl die Kaumuskulatur nicht gelähmt ist, weil sie von anderen Nerven gesteuert wird.
- Die Wange kann sich taub anfühlen oder kribbeln.
- Es gibt Probleme, das Auge auf der betroffenen Seite zu schließen.
- Das Hörvermögen kann beeinträchtigt sein, auch Schmerzen am Ohr sind möglich.
- Das Geschmacksempfinden kann gestört sein.
- Für die periphere Fazialisparese gibt es ein weiteres Anzeichen: Die Stirnmuskulatur ist gelähmt und Betroffenen gelingt zum Beispiel kein Stirnrunzeln mehr.
Gesichtslähmung: Ursachen
Die Ursachen der Fazialisparese bleiben in der Mehrzahl der Fälle (ca. 75 Prozent) unbekannt. Medizinische Fachleute sprechen auch von idiopathischer Fazialisparese, wenn sich kein Grund oder Auslöser finden lässt. Ansonsten kommen verschiedene Ursachen und Risikofaktoren in Frage, je nach Form der Gesichtslähmung. Die genauen Mechanismen dahinter und die Entstehungsweise sind jedoch oft noch unklar.
Periphere Fazialisparese: Ursachen und Risikofaktoren
- Infektionen, z.B. Gürtelrose (Herpes zoster), Gürtelrose am Ohr (Zoster oticus), Borreliose, Masern, Mumps, Röteln, Diphterie, HIV, Syphilis
- Eingeengter Nervenkanal, z.B. aufgrund einer Mittelohrentzündung
- Gutartige und bösartige Tumoren, z.B. in der Ohrspeicheldrüse oder im Gehirn, Metastasen im Gehirn. Tumoren können auf die Nerven drücken.
- Stoffwechselkrankheiten, z.B. Zuckerkrankheit Diabetes mellitus, vor allem bei gleichzeitigem Bluthochdruck; ein schlecht eingestellter Diabetes kann die Nerven angreifen, auch den Gesichtsnerv
- Schwangerschaft: Das Risiko für eine Gesichtslähmung ist bei Schwangeren um etwa das Dreifache erhöht. Von 100.000 werdenden Müttern werden durchschnittlich 45 Fälle während der letzten Schwangerschaftsmonate registriert. Die Ursache hierfür ist bislang ungeklärt. Eventuell spielen hormonelle Veränderungen, aber auch eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus 1 (HSV1) eine Rolle.
- Autoimmunkrankheiten, z.B. Sjögren-Syndrom, das vor allem die Tränen- und Speicheldrüsen angreift
- Sarkoidose: Eine entzündliche Erkrankung des Bindegewebes, die prinzipiell sämtliche Organe und Gewebe erfassen kann
- Verletzungen und Knochenbrüche, z.B. Schädelbasis-, Kiefer-, Felsenbeinbruch (Teil des Schläfenbeins, das das Innenohr schützt)
- Operation im Gebiet der Gesichtsnerven
- Extremer Stress: Eine Gesichtslähmung durch Stress ist zwar selten, kann aber vorkommen
- Kalte Zugluft, z.B. durch Klimaanlage, Ventilator, geöffnetes Fenster
- Zangengeburten können bei Babys den Gesichtsnerv schädigen
- COVID-19-Erkrankung und die Impfung mit dem BNT162b2-mRNA-COVID-19-Impfstoff (Comirnaty/BioNTech) könnten laut der Leitlinie mit einem geringfügig erhöhten Erkrankungsrisiko verbunden sein
Zentrale Fazialisparese: Ursachen
- Schlaganfall: Ein herabhängender Mundwinkel und halbseitige Gesichtslähmung sind wichtige Symptome eines Schlaganfalls. Meist ist ein Gefäß verschlossen, wodurch das betroffene Hirnareal nicht mehr ausreichend durchblutet wird. Seltener ist eine Hirnblutung der Grund. Ein Schlaganfall ist immer ein Notfall, bei dem Sie schnell den Notarzt unter 112 rufen müssen.
- Gehirntumor: Er kann das Hirnareal beeinträchtigen, welches den Gesichtsnerv steuert.
- Neurologische Krankheiten wie die Multiple Sklerose (MS) – eine Autoimmunkrankheit, bei der das körpereigene Immunsystem die Hüllen um die Nerven (Myelinscheiden) angreift und zerstört.
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Gesichtslähmung: Behandlung
Die Therapie der Fazialisparese hängt von der Ursache ab. Wenn eine Krankheit der Grund für die Gesichtslähmung ist, behandeln Ärzte und Ärztinnen zunächst diese. In der Mehrzahl der Fälle lässt sich jedoch keine Ursache finden. Bei dieser idiopathischen Fazialisparese geht die Gesichtslähmung auch oft ohne Behandlung wieder zurück, meist innerhalb von wenigen Wochen.
Diese Möglichkeiten der Therapie gibt es bei der Fazialisparese, je nach Auslöser:
- Glukokortikoide (Kortison): Bei unbekannter Ursache, um die Rückbildung der Gesichtslähmung zu fördern. Bei Schwangeren sollte die Behandlung mit Glukokortikoiden stationär in einer spezialisierten geburtshilflichen Klinik erfolgen.
- Medikamente: Bei Infektionen kommen Antibiotika gegen Bakterien und Virostatika gegen Viren zum Einsatz. Schmerzmittel helfen bei Schmerzen, eine Diabetes-Behandlung erfolgt ebenfalls mit Medikamenten
- Künstliche Tränen und Augensalben: Diese helfen, wenn Betroffene ihr Augenlid nicht mehr schließen können und das Auge austrocknet. Ein Augenverband (Uhrglasverband), der das Auge nachts abdeckt, kann unterstützend wirken und das Auge feucht halten. Daneben können kleine Bleiplättchen, die mit Hilfe einer Klebefolie vorübergehend auf das Oberlid geklebt werden, hilfreich sein. „Lidloading“ oder „Lidbeschwerung“ heißt diese Methode, die das Prinzip der Schwerkraft nutzt. Diese Methode ist nicht gesundheitsschädigend.
- Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS): Dabei werden die Nerven und Gesichtsmuskeln über einen leichten Reizstrom angeregt. Die Wirksamkeit ist noch nicht ausreichend wissenschaftlich nachgewiesen.
- Chirurgischer Eingriff: Um die Funktion von Muskeln und Nerven zumindest teilweise wiederherzustellen. Eine Möglichkeit der Behandlung ist Implantation von Gold- oder Platingewicht in das Oberlid, um den Lidschluss zu verbessern. Auch die Transplantation von Nerven auf die betroffene Seite oder die Verbindung mit Nerven der gesunden Seite kann eine mögliche Therapie bei Gesichtslähmung sein.
Hinter der zentralen Fazialisparese steckt meist ein Schlaganfall, der sofort in einer Klinik behandelt werden muss. Es ist immer ein Notfall. Es gibt Schlaganfallzentren, sogenannte Stroke Units, die auf die Behandlung eines Schlaganfalls spezialisiert sind.
Gesichtslähmung: Übungen
Die Therapie der Fazialisparese umfasst auch die Logopädie und Physiotherapie. Viele haben unter anderem Probleme mit dem Sprechen und der Artikulation. Die Logopädie kann helfen, indem sie Ihre Muskulatur im Gesicht mobilisiert. Sie trainieren Ihre Mimik und verhindern, dass sich die Muskulatur im Gesicht verhärtet. Zugleich können Sie die Spannung verbessern.Bei einer peripheren Fazialisparese können verschiedene Übungen helfen. Einige Beispiele:
Übung für den Mund
- Lächeln Sie mit geöffnetem Mund, die Zähne sollten gut sichtbar sein.
- Legen Sie Ihre Zeigefinger seitlich an die Mundwinkel. Dann helfen Sie dem Lächeln durch einen leichten Zug nach außen und oben nach.
- Halten Sie diese Position für mindestens zehn Sekunden.
- Jetzt entspannen Sie Ihren Mund wieder und spüren der Bewegung nach.
Übung für die Stirn
- Ziehen Sie die Augenbrauen hoch und runzeln Sie die Stirn, sodass sich Falten bilden.
- Legen Sie jetzt Ihren Zeigefinger über eine Augenbraue und ziehen Sie den Bereich leicht nach oben.
- Bildlich können Sie sich Ihre Mimik wie bei einem überraschenden Ereignis vorstellen.
- Führen Sie die Übung zehnmal hintereinander aus.
- Entspannen Sie Ihre Stirn wieder und spüren Sie der Bewegung nach.
Übung für Augen und Lidschluss
- Schließen Sie beide Augen.
- Helfen Sie beim Lidschluss sanft nach, indem Sie mit dem Zeigefinger auf dem Oberlid einen leichten Zug nach unten ausüben.
- Zur Entspannung können Sie beide Daumenkuppen unterhalb der Augenbrauen in die Augenhöhle legen. Üben Sie sanften Druck aus oder massieren Sie mit leicht kreisenden Bewegungen eventuelle Verspannungen.
- Die Übung für mindestens zehn Sekunden durchführen.
Tipps bei Gesichtslähmung
Daneben gibt es einige Tipps bei Gesichtslähmung und Maßnahmen, wie eine Massage, die Sie selbst durchführen können. Einige Beispiele:
- Warme Gesichtspackungen: Wärme fördert die Durchblutung und lockert verspannte Muskeln und lindert Schmerzen. Wärme können Sie im Gesicht zum Beispiel mit einem warmen, feuchten Handtuch zuführen.
- Augen schützen: Tragen Sie eine Sonnenbrille im Freien, wenn die Augen trocken und empfindlich sind.
- Regelmäßig Grimassen schneiden: Erlernen Sie die passenden Übungen vorher professionell – siehe den Abschnitt Gesichtslähmung: Übungen – und stellen Sie sich zu Hause circa fünfmal am Tag vor den Spiegel und schneiden Sie Grimassen. Ziehen Sie zum Beispiel die Augenbrauen hoch und zusammen (Stirn runzeln wie bei einem kritischen Blick), reißen Sie Ihre Augen weit auf und kneifen Sie sie fest zusammen, rümpfen Sie Ihre Nase, spitzen Sie Ihren Mund oder schieben Sie Ihre Unterlippe und Oberlippe vor.
Auch eine sanfte Massage der gelähmten Muskulatur kann guttun und wirkungsvoll sein – einige Tipps:
- Legen Sie Ihre Hände auf beide Wangen und streichen Sie Ihr Gesicht längs nach oben und unten aus.
- Die Massage funktioniert auch in die Querrichtung: Legen Sie Ihre Hände auf die Wangen, die Fingerspitzen zeigen in Richtung Mund. Jetzt ziehen Sie die Hände vorsichtig nach außen.
- Klopfen oder zupfen Sie den gelähmten Gesichtsbereich mit den Fingern.
- Massieren Sie die betroffene Gesichtshälfte vorsichtig mit einer Zahnbürste oder elektrischen Zahnbürste.
Gesichtslähmung: Welcher Arzt?
Eine plötzliche Gesichtslähmung empfinden die meisten Menschen als besorgniserregend und bedrohlich. Sie setzt meist schlagartig und ohne Vorwarnzeichen ein. Hinter einer Fazialisparese kann ein Schlaganfall stecken, der immer ein Fall für den Notarzt ist. Der Schlaganfall muss so schnell wie möglich behandelt werden, weil sonst immer mehr Nervenzellen im Gehirn absterben. Wählen Sie den Notruf (112) und fahren Sie nicht selbst in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus.
Ansonsten sind bei einer Gesichtslähmung oder bei Missempfindungen im Gesicht Ärzte aus diesen Fachgebieten gute Anlaufstellen für die Behandlung:
- Allgemeinmedizin
- Neurologie
- Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO)
- Diabetologie (bei Diabetes)
- Gynäkologie (bei Schwangerschaft)
- Plastische Chirurgie
Quellen
- S2k-Leitlinie: Therapie der idiopathischen Fazialisparese (Bell’s palsy) (Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)); Stand: 2022
- Scholz B et al.: Das Mona-Lisa-Syndrom – die idiopathische periphere Fazialisparese in der Schwangerschaft; Thieme; 2015; DOI: 10.1055/s-0035-1551601
- Online-Informationen Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte e.V.: www.hno-aerzte-im-netz.de; Abruf: 11.01.2024
- Online-Informationen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: www.gesundheit.gv.at; Abruf: 10.01.2024
- Online-Informationen Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. Spontane Gesichtslähmung meist nicht langwierig: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf: 11.01.2024
- Online-Informationen Berufsverbände für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland. Zugluft kann Gesichtslähmung nach sich ziehen: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf: 11.01.2024
- Online-Informationen Alfried Krupp Krankenhaus: www.krupp-krankenhaus.de; Abruf: 11.01.2024
- Online-Informationen Fazialisparese Schweiz: www.fazialisparese.ch; Abruf: 11.01.2024