Sie wälzen sich nachts stundenlang in zerwühlten Laken, geistern zwischen drei und vier Uhr morgens durch die Wohnung oder wachen in aller Frühe weit vor dem Weckerklingeln auf?
Und dann rattert es los, das Gedankenkarussell. Begleitet von bangen Blicken auf die Uhr, die erbarmungslos die entgangene Nachtruhe misst – Minute für Minute, Stunde für Stunde. Was keinesfalls zur Beruhigung beiträgt.
„Häufig kommen Schlafstörungen nicht allein“, sagt Kneginja Richter, Chefärztin und Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin an der CuraMed Tagesklinik Nürnberg. „Sie treten oft in Begleitung psychischer Belastungen und Probleme in unserem Leben auf.“ Als Expertin für Psyche und Schlaf sowie Buchautorin hilft Richter ihren Patienten dabei, den Teufelskreis von gestörter Nachtruhe und seelischem Stress zu durchbrechen.
Schlechter Schlaf versetzt den Körper in Alarmbereitschaft. Der Sympathikus des autonomen Nervensystems wird aktiviert und schüttet die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus. Das nährt die innere Unruhe zusätzlich. Wer gut schläft, aktiviert dagegen den Parasympathikus, der beruhigend auf den ganzen Körper wirkt. Gelingt es also, schlafraubende Stressoren auszuschalten, kann die Psyche auftanken – und das Gehirn nachts wieder besser abschalten. Probieren Sie es doch mal mit diesen Strategien.
Schlafkost statt Schlaftrunk
Alkohol macht schläfrig, hindert aber am erholsamen Durchschlafen. Kneginja Richter empfiehlt, stattdessen auf das passende Abendessen zu setzen. Schlaffördernde Mahlzeiten bestünden ungefähr zu zwei Dritteln aus Proteinen und zu einem Drittel aus Kohlenhydraten. „Das Protein Tryptophan benötigt der Organismus unter anderem als Baustein für das Schlafhormon Melatonin“, erklärt die Medizinerin. „Auch für die Produktion des Botenstoffs Serotonin, der das Einschlafen erleichtert, ist es wichtig.“ Tryptophan ist etwa enthalten in Hartkäse, Sojabohnen, Linsen, Cashewkernen, Erdnüssen, Thunfisch, Makrele, Lachs oder Hühnchenfleisch. „Ein Vollkornbrot mit Emmentaler, Linsensuppe, ein Stück Lachs oder Huhn zum Abendessen wären also ideal“, so Richter. Drei Stunden sollten zwischen Abendessen und Schlafenszeit verstreichen. Grundsätzlich gilt: Leichte Kost fördert die Bettschwere.
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Prof. Dr. med. Kneginja Richter, Sina Horsthemke: „Ausgeschlafen und mental stark! Wie Psyche und eine gute Nachtruhe zusammenhängen“. Kösel Verlag 2024, 20 Euro
Aufs Denken verzichten
„Sie schlafen wirklich besser, wenn Sie abends einfach alles stehen und liegen lassen“, verspricht Richter. Ihr Rat: sich zwei Stunden vor dem Schlafengehen nicht mehr mit Verpflichtungen beschäftigen. Und keinesfalls über Alltagsdinge oder Sorgen nachdenken. Sinnlosem nächtlichen Grübeln könne man vorbeugen, indem man belastende Gedanken etwa drei Stunden vor dem Schlafengehen stichwortartig in ein „Sorgenheft“ schreibe. Dieses wandert anschließend mitsamt den Problemen in eine Schublade – und zwar außerhalb des Schlafraums. Sorgen haben dort in Zukunft nichts mehr verloren.
Zusätzlich hilfreich: vor dem Einschlafen an etwas Positives denken. „Im Tiefschlaf werden alle Gefühle des Tages in einem Emotionsspeicher im Gehirn sortiert und ausgewertet“, erklärt Richter. Vor dem Schlafengehen positive Sinneseindrücke und Emotionen einzuspeisen, kann sich für die Psyche bezahlt machen.
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Der Smartwatch nicht alles glauben
Schon wieder zu wenig Tiefschlaf, und der REM-Schlaf fehlt fast komplett? Moderne Smartwatches scannen die Schlafphasen und bewerten die Schlafqualität. Das klappt je nach Produkt und Hersteller mehr oder weniger gut. „Was viele Geräte definitiv falsch messen, ist der Traumschlaf. Das können sie auch nicht leisten, denn sie befinden sich am Handgelenk“, erklärt Richter. REM-Schlaf macht sich durch Augenbewegungen bemerkbar.
Aussagekräftiger als die Messwerte ist das eigene Befinden. „Wie hochwertig der Schlaf tatsächlich war, verrät das Energielevel am nächsten Tag“, meint Richter. Sollte die Smartwatch aber vorwiegend schlechte Schlafqualität bescheinigen und man sich tagsüber müde und abgeschlagen fühlen, könne man mit den Daten zu einem Schlafmediziner gehen. Er kann auch beurteilen, wie zuverlässig das Gerät arbeitet.
Nie auf die Uhr schauen!
Wie spät ist es eigentlich? Die Frage liegt nahe, wenn man mitten in der Nacht wach liegt. Aber: „Kontrollieren Sie auf keinen Fall die Uhrzeit. Niemals. Wirklich nie!“, betont Richter. „Bleiben Sie lieber im Dunkeln liegen und versuchen Sie zu entspannen.“ Atemübungen oder Techniken wie progressive Muskelentspannung helfen, in den Schlummermodus zurückzufinden.
Wer nach einer (gefühlten) halben Stunde immer noch ins Dunkle starrt, steht besser auf. „Richten Sie eine gemütliche Ecke im Haus ein, in der Sie in wachen nächtlichen Phasen bei gedimmtem Licht etwas furchtbar Monotones tun“, empfiehlt Richter. „Je langweiliger, desto besser!“ Ist man beim Bügeln mit leise entspannender Musik wieder müde geworden, wird das Einschlafen gelingen.
FOCUS-Gesundheit 01/2025
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung. Den vollständigen Text finden Sie in der Ausgabe Reha & Prävention 2025. Weitere Themen: Das Risiko für Folgeerkrankungen von Diabetes lässt sich deutlich reduzieren. Wie viel Vitamin D ist genug? Ein Experte klärt auf. Und vieles mehr.
Ausschlafen (lassen)!
Sie sind eine Nachteule und Ihre Partnerin oder Ihr Partner zählt zu den Frühaufstehern? Bei aller Liebe: Versuchen Sie gar nicht erst, Ihre Schlaf- und Wachzeiten in Einklang zu bringen. Die Chronotypen lassen sich lediglich moderat beeinflussen. Da hilft nur wechselseitige Toleranz und Rücksichtnahme.
Weniger tolerant sind meist die Arbeitszeiten. Klingelt der Wecker an Werktagen zu früh, ist am Wochenende Ausschlafen angesagt. Versäumter Schlaf lässt sich zum Teil nachholen. „Ich empfehle, mindestens an einem Tag in der Woche auszu- schlafen“, sagt Richter. Eine neue Studie, vorgestellt auf dem Europäischen Kardiologenkongress, bescheinigt, dass sich das Risiko kardiovaskulärer Schäden so um ein Fünftel senken lässt. Am besten aber so wenig Schlafdefizit wie möglich anhäufen.
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Aus dem Schlafzimmer ausziehen
Schlafen Sie besser oder schlechter, wenn Ihre Partnerin oder Ihr Partner neben Ihnen liegt? Das hängt womöglich von Ihrem Geschlecht ab. Messungen im Schlaflabor zeigen: Der Schlaf von Männern gewinnt, wenn sie das Bett mit jemandem teilen. Frauen schlafen dagegen entspannter allein – auch wenn sie selbst meist vom Gegenteil überzeugt sind. „Die Wissenschaft erklärt das mit dem genetischen Code unserer Vorfahren aus der Steinzeit“, so Richter. Die männlichen Jäger profitierten vom Schutz der Gruppe. Frauen sind darauf programmiert, auf den Nachwuchs zu achten. Ihr Schlaf ist leichter und störanfälliger. Bei massiven Schlafproblemen kann es sich also durchaus lohnen, über getrennte Schlafzimmer nachzudenken. Darunter müsse weder der Sex leiden noch die Beziehung, ist Richter überzeugt. „Im Gegenteil: Wenn beide Partner gut geschlafen haben, streiten sie weniger.“
Von Schlafmedizin profitieren
Bei anhaltenden Problemen helfen spezialisierte Schlafmediziner. In einer Anamnese untersuchen sie, ob körperliche Auslöser wie Schmerzen, Schlaganfall, Depression oder Demenz eine Rolle spielen, oder schließen im Schlaflabor das Schlaf- apnoe-Syndrom – eine nächtliche Atmungsstörung – aus. Um dann mit einer individuell zugeschnittenen Therapie wieder Ruhe ins Leben zu bringen.
Hilfe bei chronischen Schlafstörungen (Podcast #69)
Zu Gast im Podcast: Dr. Stefan Ries, Facharzt für Neurologie im Neurocentrum Odenwald
Mehr Infos zur Folge
Braucht ihr oft lange zum Einschlafen? Wacht nachts auf und findet dann nicht mehr in den Schlaf? Schlafmangel hat sowohl kurz- als auch langfristig negative Auswirkungen auf unseren Körper und unsere Psyche und kann sogar andere Erkrankungen verursachen. Insbesondere, wenn die Schlafstörungen über Monate nicht verschwinden.
Über chronische Schlafstörungen sprechen wir in dieser Folge mit Dr. Stefan Ries. Er ist Facharzt für Neurologie und behandelt im Neurocentrum Odenwald Patienten mit Schlafstörungen. Mit ihm klären wir auch, welche Ursachen hinter der Krankheit stecken und welche Behandlungsoptionen es gibt.
Außerdem erzählt uns Maria, die seit vielen Jahren unter chronischen Schlafstörungen leidet, wie sehr die Erkrankung sie, ihr Umfeld und ihren Alltag belastet hat und welche Strategien und Lösungen ihr heute helfen.
Kooperationspartner der Folge ist Idorsia.