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ADHS bei Erwachsenen: Welche Behandlung ist am wirkungsvollsten?

Wie gut sind ADHS-Medikamente? Was bringt eine Psychotherapie? Eine neue Übersichtsstudie hat erstmals verglichen, welche Therapie ADHS-Symptome am effektivsten lindert.

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Neurodiversitätskonzept: Modell von Flugkugeln aus aufgeschnittenem Kopf

© Eoneren / Getty Images

Unruhe, Konzentrationsstörungen und emotionale Extreme können den Alltag von Menschen mit ADHS beherrschen. Ein internationales Forscherteam widmete sich der Frage, welche Therapien gegenüber den Symptomen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, bei Erwachsenen am besten wirken.

Was untersuchte die ADHS-Meta-Studie?

Die Wissenschaftler schauten sich 113 klinische Studien mit fast 15.000 Teilnehmenden an, die allesamt randomisiert waren. Das bedeutet, dass die Probandinnen und Probanden per Zufall den unterschiedlichen Gruppen (z. B. Medikament/Placebo) zugeordnet wurden. Eine randomisierte Studie ist die hochwertigste Form klinischer Untersuchungen.

Die Wissenschaftler analysierten in ihrer Studie sowohl die Wirkung von medikamentösen als auch von psychologischen und neurostimulierenden Therapien (elektrische Impulse).

Sie untersuchten den Einfluss der Behandlungen im Hinblick auf Schweregrad der Symptome, exekutive Dysfunktion (Probleme bei der Impulskontrolle, Antriebsmangel etc.), emotionale Dysregulation (schnell wechselnde Stimmungen), Lebensqualität und Nebenwirkungen.

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Pharmazie oder Psychologie: Was hilft bei ADHS?

Die Meta-Analyse lässt darauf schließen, dass sich die Symptome nur mittels medikamentöser Behandlung schnell bessern. Nicht alle Personen vertragen die Medikamente gleich gut. Am wirkungsvollsten sind jedoch laut Meta-Studie Stimulanzien wie Methylphenidat, das die Verfügbarkeit der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin erhöht, sowie Atomoxetin, das nur die Verfügbarkeit von Noradrenalin beeinflusst. Beide Medikamente wirken sich positiv auf die ADHS-Symptome aus, indem sie die Konzentrationsfähigkeit und Impulskontrolle steigern, sowie Unruhe und Hyperaktivität reduzieren.

Psychotherapie als ergänzende Maßnahme

Behandlungen mittels psychologischer Interventionen wie kognitive Verhaltenstherapie, bei der problematische Denk- und Verhaltensmuster reflektiert, überprüft und Alternativen erarbeitet werden, linderten die Kernsymptome erst nach längerer Zeit und erwiesen sich als nicht konsistent wirksam. 

Dennoch: „Die Behandlung von ADHS-Patient:innen mit einer Psychotherapie ist auch mit diesem Review nicht hinfällig. ADHS ist häufig der Kern, dem sich im Laufe der Zeit weitere psychische Belastungen, Störungen und Beeinträchtigungen hinzugesellen. ADHS ist selten allein. Sekundäre Probleme wie etwa Beziehungsprobleme, reaktive Angst, soziale Konflikte am Arbeitsplatz, Probleme in der Erziehung von Kindern, aggressives Verhalten, aber auch sekundäre körperliche Krankheiten stehen im Verlauf oft im Vordergrund, die oft mit Psychotherapie therapiert werden können“, sagt Prof. Dr. Marcel Romanos, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPPP) des Universitätsklinikums Würzburg gegenüber dem wissenschaftlichen Pressedienst Science Media Center. 

Welche Aussagekraft hat die ADHS-Meta-Studie?

Sowohl Romanos als auch sein Kollege Oliver Grimm, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt, halten die Meta-Studie für hochwertig. Dr. Oliver Grimm erklärt, die Ergebnisse „entsprechen weitgehend den aktuellen Leitlinienempfehlungen, die Medikamente als First-Line-Therapie empfehlen. Die Studie liefert aber erstmals eine direkte Vergleichbarkeit aller Therapieoptionen und zeigt Limitationen der bisherigen Evidenz auf. Dies könnte zu stärkerer Differenzierung der Empfehlungen in zukünftigen Leitlinien führen, eine generelle Anpassung sehe ich nicht“.

Was ist ADHS?

ADHS steht für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Sie ist gekennzeichnet durch die drei Kernsymptome:

  • Hyperaktivität
  • Aufmerksamkeitsstörung und/oder
  • Impulsivität 

Laut Leitlinie ist ADHS mit fünf bis sieben Prozent eine der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Als Krankheitsbild bei Erwachsenen tritt ADHS zwar langsam mehr ins Bewusstsein, sei aber noch immer kaum bekannt beziehungsweise werde unterschätzt, warnt ADHS Deutschland e. V. 

Immerhin, so schätzt die die Selbsthilfe-Initiative, sind etwa zwei Millionen erwachsene Menschen in Deutschland (ca. 2,5 % Erwachsene weltweit) betroffen – häufig ohne davon zu wissen.

Erwachsene mit ADHS sind meist kontrollierter als betroffene Kinder, das „Herumzappeln“ fällt entsprechend häufig weg. Sie zeigen jedoch motorische Unruhe, Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsstörungen. Rund 30 Prozent der Erwachsenen mit ADHS leiden laut Selbsthilfeverein ADHS Deutschland e. V. unter Ängsten und Depressionen.

Viele Betroffene, aber auch Wissenschaftler sehen ADHS heute nicht mehr unbedingt als Erkrankung. Sie sprechen eher von Neurodivergenz. Das bedeutet, dass jedes Gehirn etwas anders funktioniert. Menschen, die so denken und sich so verhalten, wie wir es als „normal“ empfinden sind „neurotypisch“. Es gibt aber ein ganzes Spektrum an Gehirnen, die anders funktionieren, quasi einen anderen Bauplan haben – und deshalb nicht schlechter sind. So auch bei ADHS oder Autismus.

ADHS-Symptom Konzentrationsprobleme

Interessiert sie etwas, können sich Menschen mit ADHS sehr gut konzentrieren. Ansonsten gelingt es ihnen nicht, ihre Aufmerksamkeit lange auf etwas zu halten; sie lassen sich leicht ablenken, Durchhaltevermögen und Motivation sind eingeschränkt. Das kann zu starken Selbstzweifeln und Mutlosigkeit führen.

ADHS-Symptom Unruhe

Oft verspüren Betroffene eine innere Unruhe, die viele mit „unter Strom stehen“ beschreiben. Sie zeigt sich zum Beispiel in Wippen mit den Füßen oder ständigem Herumspielen mit Gegenständen. Dieses innere Chaos spiegelt sich mitunter auch im Außen wider: Menschen mit ADHS fällt es oft schwer, Ordnung zu halten.

ADHS-Symptom Verhaltensauffälligkeiten

ADHS gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt. Betroffene pendeln zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, sind leicht kränkbar und reagieren auf vermeintliche Angriffe häufig aggressiv. Mit (kleinen) Schwierigkeiten, Frust oder Scheitern umzugehen, fällt ihnen extrem schwer und gelingt mitunter gar nicht. Die Folge können Beziehungs-, Job- und/oder Suchtprobleme (z. B. Alkohol-, Kauf-, Ess- oder Spielsucht) sein. 

#53 ADHS bei Erwachsenen: Über Mythen, Hyperfokus und Neurodivergenz

Mehr Infos zur Folge

Wie fühlt sich ADHS an und wie gehen Betroffene im Alltag damit um? Darüber sprechen wir mit Buchautorin Lisa Vogel, die im Alter von 27 Jahren die Diagnose bekommen hat. Wir klären, wie sich ADHS bei Erwachsenen äußert und warum ADHS – besonders bei Mädchen oft übersehen wird. Außerdem sprechen wir über die positiven Aspekte, die ADHS mit sich bringen kann. 

Dr. Daniel Schöttle, Chefarzt der Psychiatrie an der Asklepios Klinik Harburg, erklärt, welche Ursachen dahinterstecken, warum oft Depressionen und Suchtproblematiken mit ADHS einhergehen und welche Behandlungsoptionen es gibt. 

Quellen
  • Ostinelli E G et al.: Comparative efficacy and acceptability of pharmacological, psychological, and neurostimulatory interventions for ADHD in adults: a systematic review and component network meta-analysis; The Lancet; 2025; DOI: 10.1016/S2215-0366(24)00360-2
  • S3-Leitlinie: Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie e.V. et al.); Stand: 2018
  • Pressemedlung Science Media Center Germany: Evidenz zur Behandlung von Erwachsenen mit ADHS; 18.12.2024
  • Online-Informationen ADHS Deutschland e.V.: www.adhs-deutschland.de; Abruf: 14.01.2025
  • Online-Informationen Dorsch. Lexikon der Psychologie: https://dorsch.hogrefe.com; Abruf: 14.01.2025
  • Online-Informationen Universitätsklinikum Köln: www.adhs.info; Abruf: 14.01.2025
  • Online-Informationen Dachverband für Dialektisch Behaviorale Therapie e.V.: www.dachverband-dbt.de; Abruf: 14.01.2025
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Dieser Artikel enthält allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Den passenden Arzt finden Sie über unser Ärzteverzeichnis.

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