Zusammenfassung
- Definition: Eine Schädigung mehrerer Nerven des peripheren Nervensystems; diese sind z. B. zuständig für die Wahrnehmung von Druck oder der Temperatur, für die Steuerung der Muskelaktivität oder die Regulation der Atmung, Verdauung und des Stoffwechsels.
- Symptome: hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind, möglich sind z. B. Kribbeln, Taubheitsgefühle, verändertes Temperaturempfinden, Nervenschmerzen, Muskelschwäche, Durchfall, Verstopfung
- Behandlung: richtet sich nach der Ursache, es gibt zum Beispiel Medikamente gegen Nervenschmerzen, Physiotherapie, Elektrotherapie, Ergotherapie oder Hausmittel – Polyneuropathie ist nicht heilbar, aber die Symptome lassen sich oft bessern.
- Welcher Arzt? richtiger Ansprechpartner ist ein Facharzt für Neurologie, ein Spezialist für Nervenerkrankungen, der viel Erfahrung mit der Polyneuropathie hat.
- Selbsthilfegruppe: Eine gute Anlaufstelle ist die Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe e. V., sie bietet Rat, Hilfe, Unterstützung und Austausch mit anderen Betroffenen.
- Ernährung: Bei einer Polyneuropathie auf eine ausreichende Versorgung mit den Vitaminen B12, B1, B3, B6, E und Folsäure achten. Diese Vitamine sind reichlich in vielen Lebensmitteln enthalten.
- Verlauf und Lebenserwartung: Polyneuropathie beginnt meist schleichend, verläuft in verschiedenen Stadien; bei Schäden an den Nerven ist keine Rückbildung möglich, aber die Beschwerden lassen sich lindern; Lebenserwartung meist nicht eingeschränkt, endet nur sehr selten tödlich
- Ursachen: Häufigste Ursachen sind Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch, auch Medikamente wie Zytostatika bei Krebs können Nerven angreifen (nach einer Chemo ist Neuropathie keine Seltenheit); weitere Ursachen sind Vitaminmangel, andere Krankheiten oder Therapien
- Diagnose: Gespräch zur Krankengeschichte, körperliche Untersuchung (z. B. Prüfung der Reflexe), verschiedene Tests zur Prüfung der Muskel- und Nervenfunktion, Blutwerte (z. B. Blutzucker, Vitaminspiegel, Leber- und Nierenwerte)
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Was ist Polyneuropathie?
Polyneuropathie ist der Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, bei denen Nerven des peripheren Nervensystems geschädigt sind. Per Definition bedeutet Polyneuropathie „vielfache (poly) Nervenerkrankung (Neuropathie)“.
Zum peripheren (peripher: am Rand) Nervensystem gehören alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und Rückenmarks liegen. Diese beiden bilden das zentrale Nervensystem.
Zum peripheren Nervensystem gehören Nerven, die
- von der Haut zum Gehirn führen und sensible Empfindungen wie Berührungen, Temperatur, Druck und Schmerzreize wahrnehmen (sensible Nerven).
- Befehle vom Gehirn zu den Muskeln leiten und so die Muskeltätigkeit regulieren (motorische Nerven).
- unter anderem die Atmung, Verdauung, den Stoffwechsel und die Blasenfunktion kontrollieren und steuern (autonome Nerven).
Welcher Bereich der Nervenzelle ist beschädigt?
Jede Nervenzelle (Neuron) besteht aus einem Zellkern, Zellkörper und röhrenförmigen Fortsätzen. Diese langen Nervenfortsätze (Axone) sind sozusagen die „Stromkabel“, die Informationen an andere Zellen weiterleiten. Um ein schnelleres Übertragen der elektrischen Impulse zu gewährleisten und Kurzschlüsse zu vermeiden, sind die Nervenfortsätze mit einer dünnen Fetthülle, der sogenannten Myelinschicht, ummantelt.
Bei einer Polyneuropathie kann die Nervenschädigung den Nervenfortsatz betreffen. Ärzte bezeichnen dies als axonale Polyneuropathie. Nimmt die umhüllende Myelinschicht Schaden, handelt es sich dagegen um eine demyelinisierende Polyneuropathie.
Die Nervenschädigung führt dazu, dass der Informationsaustausch zwischen dem Gehirn, Rückenmark und übrigen Körper gestört ist. So werden zum Beispiele Schmerzsignale ohne Grund ans Gehirn geschickt, Muskeln nicht mehr richtig gesteuert oder Temperaturen nicht mehr korrekt wahrgenommen.
Tritt die Nervenerkrankung hauptsächlich in Körperregionen auf, die vom Rumpf entfernt liegen (Hände, Füße), sprechen Ärzte und Ärztinnen von einer distalen Polyneuropathie. Sehr viel seltener sind rumpfnahe Bereiche von der Polyneuropathie betroffen, die als proximale Polyneuropathie bezeichnet wird.
Wie oft kommt eine Polyneuropathie vor?
Eine Polyneuropathie (auch „Periphere Polyneuropathie“ oder „Periphere Neuropathie“ = PNP) ist eine häufige Nervenerkrankung. Sie tritt vor allem bei Menschen mit einer Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) auf, deren Blutzuckerspiegel langfristig nicht gut eingestellt und zu hoch ist. Dann nehmen aufgrund der erhöhten Blutzuckerwerte nicht nur die Gefäße, sondern auch die Nerven Schaden. Bis zu 50 Prozent der Diabetiker und Diabetikerinnen sind von der Polyneuropathie betroffen. Auch bei Alkoholkranken kommt die Nervenschädigung gehäuft vor. Generell erkranken Männer doppelt so oft daran wie Frauen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 65 Jahren.
Polyneuropathie: Symptome
Die Symptome einer Polyneuropathie hängen davon ab, welche Nerven in welchen Körperbereichen geschädigt sind. Wenn beispielsweise die motorischen Nerven der Beine von der Polyneuropathie betroffen sind, können eine Muskelschwäche oder Muskelzuckungen die Folge sein. Manche Beschwerden entstehen, weil die Nervenfunktion ausfällt, andere, weil die Nerven überreagieren.
Im Frühstadium der Nervenschädigung verspüren viele Kribbeln oder Taubheitsgefühle in den Extremitäten (z. B. Hände, Zehen). In späteren Stadien der Polyneuropathie können gravierende Funktionseinschränkungen von Muskeln oder Organen entstehen. Bei etwa 50 Prozent der Patienten treten Nervenschmerzen bei einer Polyneuropathie auf, sogenannte neuropathische Schmerzen. Der Grund dafür ist, dass wegen die Nervenschäden grundlos Schmerzsignale ans Gehirn gesendet werden. Hinzu kommt, dass die körpereigenen Mechanismen zur Schmerzhemmung nicht mehr einwandfrei funktionieren.
Meistens zeigen sich die Symptome der Polyneuropathie an beiden Armen, Beinen oder Füßen. Ärzte bezeichnen dies als symmetrische Polyneuropathie. Treten sie nur auf einer Körperseite auf, handelt es sich um eine asymmetrische Polyneuropathie.
Polyneuropathie-Symptome – je nach betroffenen Nerven
Sind die sensiblen Nerven von der Polyneuropathie betroffen, treten folgende Beschwerden auf:
- Kribbelgefühl („Ameisenlaufen“), pelziges Gefühl oder Taubheitsgefühl (es kommt zu Beginn der Polyneuropathie in den Füßen, Zehen, Fingern oder Händen vor)
- starke Berührungsempfindlichkeit der Haut, oft schon bei leichtem Druck durch die Kleidung
- brennende, stechende Schmerzen
- Schon kleinste Reize können Schmerzen auslösen – Menschen mit einer Polyneuropathie nehmen Schmerzen viel stärker wahr als Menschen mit intakten Nerven.
- ein Gefühl, „wie auf Watte“ zu gehen
- Juckreiz
- Gefühl des „Eingeschnürtseins“
- Schwellungsgefühl
- vermindertes Temperaturempfinden – Betroffene nehmen Wärme nicht mehr richtig wahr, etwa beim Fußbad oder wenn sie im Sommer auf heißem Sand laufen. Dadurch kann eine Verbrennung entstehen.
- gestörte Schmerzwahrnehmung, schmerzlose Wunden (vor allem an den Füßen)
- Probleme mit der Körperbalance, Gangunsicherheit (insbesondere bei Dunkelheit) – es kann zu Stürzen kommen
Sind die motorischen Nerven von der Polyneuropathie betroffen, entstehen folgende Symptome:
- Muskelschwäche – dem Betroffenen fallen beispielsweise Gegenstände aus der Hand
- schwache Reflexe
- Muskelzucken (Faszikulationen)
- unwillkürliche Muskelbewegungen, Muskelkrämpfe
- In schweren Fällen kann es zu Muskellähmungen oder Muskelschwund (Muskelatrophie) kommen.
- Ein frühes Anzeichen der Nervenschädigung kann eine Schwächung der Muskeln, die für das Zehenspreizen zuständig sind, sowie der Skelettmuskeln auf dem Fußrücken (Zehenextensoren) sein.
Sind die autonomen Nerven von der Polyneuropathie betroffen, kommen folgende Beschwerden vor:
- Durchfall, Verstopfung
- Völlegefühl, Magenlähmung (Gastroparese)
- Schluckbeschwerden (Ösophagusdystonie)
- trockene, dünne Haut, verminderte Schweißabsonderung
- fehlendes Gefühl bei der Blasenfüllung – erschwertes oder ungewolltes Wasserlassen
- schneller Herzschlag (auch in Ruhe), Herzrasen, Herzrhythmusstörungen
- Erektionsstörungen
- ungewöhnlich niedriger Blutdruck beim Aufstehen aus der sitzenden oder liegenden Position (orthostatische Hypotonie) – Schwindel und Ohnmacht können die Folgen sein
- Atemprobleme, Atemstillstand
- Wenn die Polyneuropathie die Augen betrifft: Pupillenstörungen (verlangsamte Pupillenreaktion, Blendempfindlichkeit, Sehprobleme beim Betreten von dunklen Räumen oder in der Nacht) oder Lähmungen der Augenmuskeln
- Eine Polyneuropathie kann sich auch im Gesicht zeigen, wenn Nerven betroffen sind, die ihren Ursprung im Gehirn oder Hirnstamm haben (kraniale Nerven).
Bei der Diabetischen Polyneuropathie tritt zudem oft ein brennender, stechender Schmerz in den Füßen („Burning-Feet-Syndrom“) auf. Die Symptome machen sich insbesondere bei Ruhe und während der Nacht bemerkbar. Außerdem ist durch eine stärkere Nervenschädigung die Reizweiterleitung beeinträchtigt. Betroffene nehmen dann Temperaturunterschiede und Schmerzen kaum noch oder gar nicht mehr wahr. Sie bemerken zum Beispiel kleine Wunden an den Füßen häufig nicht oder erst spät. Die Wunde kann sich infizieren und schlechter oder nicht mehr abheilen. Ist die Infektion bis zum Knochen fortgeschritten, kann eine Amputation notwendig sein.
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Polyneuropathie: Behandlung
Was bei einer Polyneuropathie hilft, richtet sich hauptsächlich nach der Ursache der Nervenschädigung. Zudem soll die Therapie der Polyneuropathie auch die begleitenden Beschwerden lindern.
Bei einer diabetischen Polyneuropathie ist eine optimale Einstellung des Blutzuckers ein wichtiges Therapieziel. Bei der Alkoholsucht steht dagegen die Alkoholabstinenz im Vordergrund, eventuell mittels einer Entzugstherapie. Bei einer Mangelernährung ist eine Ernährungsumstellung angeraten und bei einer bakteriellen Polyneuropathie eine Antibiotikatherapie.
Die Frage, ob eine Polyneuropathie heilbar ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Der Verlauf und die Prognose hängen davon ab, welche Erkrankung der Nervenschädigung zugrunde liegt, zu welchem Zeitpunkt sie festgestellt wurde (je früher die Diagnose erfolgte, desto besser ist meist die Prognose) und welches Ausmaß sie schon hat.
Auch wenn die Polyneuropathie nicht vollständig heilbar ist – mit der richtigen und ausreichenden Therapie können Sie ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen.
Medikamente bei Polyneuropathie
Verschiedene Medikamente können bei einer Polyneuropathie zum Einsatz kommen, zu den wichtigsten Arzneien zählen:
- Antikonvulsiva: Dies sind Präparate gegen Krampfanfälle, welche die Erregbarkeit der Nerven dämpfen. Beispiele sind die Wirkstoffe Gabapentin oder Pregabalin.
- Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und schmerzlindernd. Sie sind eine Möglichkeit bei Nervenschmerzen, die auch die Lebensfreude trüben können. Häufig setzen Ärztinnen und Ärzte Medikamente aus der Gruppe der trizyklischen oder tetrazyklischen Antidepressiva sowie Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) ein. Die Medikamente besitzen verschiedene und vielfältige Wirkmechanismen.
- Opioide sind stark wirksame Schmerzmittel.
- Alpha-Liponsäure: Medikamente mit diesem Wirkstoff sollen vor allem bei diabetischer Polyneuropathie helfen. Alpha-Liponsäure wirkt als Antioxidans und schützt die Nervenzellen vor oxidativem Stress und Nervenschäden.
- Lidocain-Pflaster: Treten die Schmerzen hauptsächlich in einem bestimmten Hautbereich auf, hilft oft ein Pflaster mit dem örtlichen Betäubungsmittel Lidocain, die Beschwerden zu mildern.
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Polyneuropathie
Neben Medikamenten gibt es noch einige weitere Therapieoptionen bei Nervenschmerzen:
- Transkutane Nervenstimulation (TENS): Vereinfacht gesagt stimuliert TENS die Nerven in einem schmerzhaften Hautbereich durch elektrische Impulse. Die Elektrotherapie bei einer Polyneuropathie bewirkt, dass Sie zunehmend weniger Schmerzen und stattdessen nur noch ein Kribbeln spüren.
- Physikalische Behandlung: Wechsel- und Bewegungsbäder sollen die Durchblutung verbessern und die Beschwerden mildern.
- Psychotherapie: Sie zielt auf die Schmerzwahrnehmung und Schmerzbewältigung ab. Mithilfe einer Verhaltenstherapie erlernen Sie, mit Ihren Schmerzen im Alltag anders umzugehen und Ihr Nervenleiden schrittweise auf andere Weise wahrzunehmen. Auch eine depressive Verstimmung aufgrund der ständigen Schmerzen lässt sich mittels Psychotherapie und eventuell zusätzlichen Medikamenten lindern.
Bei Beschwerden, die bei einer Polyneuropathie begleitend auftreten können, helfen mitunter folgende Ansätze:
- Magen-und Darmprobleme: Gegen Übelkeit helfen Präparate, welche die Magen-Darm-Bewegung anregen. Verstopfungen lassen sich zudem mit ausreichendem Trinken (Wasser, Tee), ballaststoffreicher Ernährung und täglicher Bewegung vorbeugen. Außerdem ist ratsam, häufiger kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich zu nehmen, um Verdauungsprobleme zu vermeiden.
- Schwindelanfälle beim Aufstehen: Tragen Sie Stützstrümpfe und schlafen Sie mit leicht erhöhtem Oberkörper. So vermindern Sie das Schwindelgefühl beim Aufstehen oder verhindern es sogar ganz. Stehen Sie außerdem langsam auf und bewegen Sie sich täglich regelmäßig, um Ihren Kreislauf in Schwung zu bringen.
- Probleme mit der Blase: Bei einer Blasenschwäche ist es empfehlenswert, in regelmäßigen Abständen (etwa alle drei Stunden) auf die Toilette zu gehen. So lässt sich ein unkontrollierter Harndrang eindämmen und das Risiko für eine Blaseninfektion senken.
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Polyneuropathie: Physiotherapie
Bei einer Physiotherapie erlernen Sie verschiedene Übungen, die einzelne Muskelgruppen stärken. Dadurch lassen sich Taubheitsgefühle in den Händen und Füßen reduzieren und eine Gangunsicherheit verringern. Außerdem trainieren Sie, körperliche Fehlhaltungen zu vermeiden. Dies hilft ebenfalls, Schmerzen zu verhindern. Auch ein Gleichgewichtstraining im Rahmen der Physiotherapie kann eine Gangunsicherheit lindern und das Fortschreiten verhindern. In einigen Fällen kann zudem eine Ergotherapie bei einer Polyneuropathie empfehlenswert sein. Die Ergotherapie trainiert durch Bewegungs- und Wahrnehmungsübungen verschiedene Alltagsfähigkeiten, zum Beispiel anziehen oder kochen.
Polyneuropathie: Therapie-Übungen
Es gibt zahlreiche Übungen, um die Muskeln zu stärken und Nervenprobleme zu lindern. Einige Beispiele:
- Übung für die Füße bei Polyneuropathie: Gehen Sie barfuß auf verschiedenen Untergründen, zum Beispiel auf Teppich oder Parkett. Achten Sie darauf, wie sich die unterschiedlichen Bodenflächen anfühlen – dies schärft die haptische Wahrnehmung. Um Ihre Fußmuskeln zu trainieren, greifen Sie mit Ihren Zehen einen auf dem Boden liegenden Stift.
- Übung für die Beine: Sie stehen auf einem Bein und halten 30 Sekunden lang die Balance. Falls nötig, halten Sie sich dabei an einem Stuhl fest. Dann wechseln Sie die Seite. Diese Übung trainiert Ihre Beinmuskulatur und schult den Gleichgewichtssinn.
- Übung für die Hände: Nehmen Sie einen kleinen, weichen Ball in die rechte Hand und drücken Sie ihn 15- bis 20-mal. Anschließend machen Sie dasselbe mit der linken Hand.
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Polyneuropathie: Hausmittel
Als Hausmittel bei einer Polyneuropathie können Sie warme oder kühle Umschläge anwenden, um Ihre Beschwerden zu lindern. Prüfen Sie jedoch die Temperatur vor dem Auflegen. Sie sollten angenehm warm sein. Kühle Wickel sollten nicht zu kalt, sondern leicht kühl oder handwarm sein. Kälte und Wärme sind bewährte Hausmittel bei Schmerzen und können auch bei Nervenschmerzen Linderung bringen.
Polyneuropathie: Welcher Arzt?
Es ist einige Erfahrung erforderlich für die Diagnostik und Behandlung einer Polyneuropathie. Ärzte, die sich damit beschäftigen, sind entsprechend Spezialisten für Polyneuropathie, die sich gut mit diesem Krankheitsbild auskennen. Wenn der Verdacht auf eine Nervenerkrankung besteht, wenden Sie sich am besten an einen Facharzt für Neurologie oder an die neurologische Ambulanz einer Klinik, wo auf Polyneuropathie und andere Nervenerkrankungen spezialisierte Ärzte arbeiten.
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Polyneuropathie: Selbsthilfegruppe
Der Besuch einer Selbsthilfegruppe kann bei einer Polyneuropathie hilfreich sein. Dort treffen Sie andere Menschen mit dem gleichen Krankheitsbild, denen es vielleicht ähnlich geht wie Ihnen. Sie können sich miteinander austauschen und erhalten Rat, Unterstützung und Hilfe. Sie erfahren, dass Sie mit der Polyneuropathie nicht allein sind, sondern dass es viele Betroffene gibt. Eine gute Anlaufstelle ist die Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe e.V. (DPS) – Bundesverband (https://www.polyneuro.de/). Dort können Sie sich zu Selbsthilfegruppen in Ihrer Nähe informieren.
Polyneuropathie: Ernährung
Ist Kaffee okay, darf ich Fleisch essen und was ist mit Zucker? Die Ernährung kann helfen, Beschwerden einer Polyneuropathie zu lindern. Während Betroffene zuckerhaltige Lebensmittel, Alkohol und Tabakprodukte möglichst meiden sollten, ist vor allem eine ausreichende Versorgung mit den Vitaminen B12, B1, B3, B6, E und Folsäure wichtig bei einer Polyneuropathie. Diese Vitamine sind in vielen Lebensmitteln enthalten.
- Vitamin B12: Rindfleisch (insbesondere Rinderleber), Hühnerleber, Makrele, Bückling, Hering, Rotbarsch, Camembert, Brie, Emmentaler und Hühnerei. In pflanzlichen Nahrungsmitteln (etwa in Sauerkraut) ist Vitamin B12 nur in geringen Mengen enthalten. Die Verbraucherzentrale empfiehlt deshalb Veganern, Vitamin B12 über Nahrungsergänzungsmittel zuführen. Die richtige Dosis besprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt.
- Vitamin B1: Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte (Linsen, Erbsen, Bohnen), Haferflocken, Reis, Kartoffeln, Spargel, Walnüsse, Hühnerleber, Aal, Thunfisch und Scholle
- Vitamin B3: Rindfleisch, Hühnerleber, Heilbutt, Makrele, Thunfisch, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Pfifferlinge, Steinpilze, Kartoffeln, Brokkoli, Erdnüsse, Kakao, Kaffee
- Vitamin B6: Hühnerfleisch, Rinderfilet, Schweinefleisch, Lachs, Sardinen, Makrele, Haselnüsse, Avocado, Bananen, Karotten, Kartoffeln, Rosenkohl, Brokkoli, Paprika, Blattspinat, Feldsalat, Tomaten
- Vitamin E: Weizenkeim-, Sonnenblumen- und Olivenöl, Margarine, Makrele, Bückling, Forelle, Wirsing, Paprika, Spargel, Haferflocken, Walnüsse
- Folsäure: Thunfisch, Scholle, Forelle, Rindfleisch, Rosenkohl, Blumenkohl, Spinat, Feldsalat, Spargel, Linsen, Kichererbsen
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Polyneuropathie: Verlauf und Lebenserwartung
Grundsätzlich gilt: Je früher Ärztinnen und Ärzte eine Polyneuropathie erkennen und behandeln, desto günstiger sind in der Regel auch der Verlauf und die Prognose. Die Lebenserwartung selbst ist durch die Polyneuropathie in der Regel nicht eingeschränkt.
Meist entwickelt sich die Polyneuropathie in verschiedenen Stadien. Zu Beginn ist der Verlauf oft schleichend. Viele Betroffene stufen erste Symptome wie ein Kribbelgefühl an den Händen oder Füßen zwar als störend, aber harmlos ein. Erst bei stärken Beschwerden, zum Beispiel Schmerzen, suchen sie einen Arzt auf. Oft ist die Polyneuropathie dann schon fortgeschritten und bei den Nervenschäden ist keine Rückbildung mehr möglich – sie sind irreversibel. Mit der richtigen Therapie ist aber zumindest eine Rückbildung der Polyneuropathie-Symptome möglich. Die Beschwerden lassen sich meist lindern und weitere Nervenschäden verhindern.
In schweren Fällen, wenn aufgrund der Nervenschädigung bereits innere Organe geschwächt sind, kann die Polyneuropathie einen tödlichen Verlauf nehmen.
Polyneuropathie: Ursachen
Die Forschung kennt mittlerweile mehr als 200 verschiedene Ursachen für Polyneuropathie. Die beiden häufigsten Auslöser sind:
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Bei einem schlecht eingestellten Blutzuckerspiegel befindet sich zu viel Zucker in der Blutbahn. Die Zuckermoleküle gehen mit verschiedenen Eiweißen (Proteinen) Verbindungen ein, welche die Nervenzellen angreifen und sie dauerhaft schädigen können. Außerdem setzt der permanent erhöhte Blutzucker den feinen Blutgefäßen zu, welche die Nerven umgeben. Dadurch werden die Nervenzellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Wegen dieser Unterversorgung funktionieren die Nerven nicht mehr einwandfrei und können im Laufe der Zeit absterben. Ärzte bezeichnen die Nervenschädigung im Rahmen der Zuckerkrankheit als diabetische Polyneuropathie. Sie ist die häufigste Form der Polyneuropathie und kann sowohl bei Diabetes Typ 1 als auch Typ 2 vorkommen.
- Alkoholmissbrauch: Eine langjährige Alkoholkrankheit kann die Nerven schädigen und eine Polyneuropathie verursachen. Denn der Alkohol und seine Abbauprodukte wirken einerseits toxisch und können die Nerven angreifen. Zum anderen ernähren sich viele alkoholkranke Menschen einseitig. So kommen ein Mangel an Vitamin B1, das die die Reizweiterleitung unterstützt, und ein Vitamin B12-Mangel, der eine Polyneuropathie begünstigen kann, häufiger vor. Das Vitamin spielt beim Aufbau der Nervenhüllen eine zentrale Rolle.
Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch sind zusammen für fast die Hälfte aller Neuropathien verantwortlich. Bei beiden Formen – alkoholbedingter und diabetischer Polyneuropathie - kann eine axonale Polyneuropathie vorkommen. Dabei gehen die Nervenendigungen (Axone) unter.
Weitere Ursachen für eine Polyneuropathie sind:
- Vitaminmangel – durch eine einseitige Ernährung wie beispielsweise viel Fast Food und Fertigprodukte
- Krankheiten wie eine Nieren- oder Lebererkrankung, Gicht
- chronische Entzündungen
- Krebs – eine Polyneuropathie kann ein erstes Anzeichen für eine Krebserkrankung sein. Auch eine Polyneuropathie nach einer Chemo- oder Strahlen-Therapie zur Krebsbehandlung ist möglich.
- Eine bestimmte Form der Polyneuropathie – die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) – tritt oft im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf. Beispiele sind Diabetes mellitus, Hepatitis C, systemischer Lupus erythematodes oder eine HIV-Infektion.
- Schilddrüsenunterfunktion oder Schilddrüsenüberfunktion
- Autoimmunerkrankungen wie das Guillain-Barré-Syndrom – es zerstört die Nervenscheiden der peripheren Nerven
- Einige Medikamente können als Nebenwirkung eine Neuropathie verursachen. Beispiele: Protonenpumpenhemmer (drosseln die Produktion von Magensäure), Mittel gegen Herzrhythmusstörungen, Immunsuppressiva oder Präparate gegen Krebs wie Zytostatika, Checkpoint-Inhibitoren oder Tyrosinkinasehemmer.
- Gifte wie Arsen oder Blei, Lösungsmittel (zum Beispiel Benzol)
- Infektionen mit manchen Viren oder Bakterien (zum Beispiel Herpes simplex, Gürtelrose, Pfeiffersches Drüsenfieber, HIV, Borreliose, Diphterie, Typhus)
- In manchen Fällen ist eine Polyneuropathie auch vererbbar. Ein Beispiel hierfür sind hereditäre motorisch-sensible Neuropathien (HMSN), bei der vor allem die motorischen Nerven betroffen sind. Vererbte Polyneuropathien kommen allerdings selten vor. Die meisten Menschen erwerben die Nervenschädigung im Lauf ihres Lebens.
Zwar entsteht durch Stress selbst keine Polyneuropathie, er kann aber andere Erkrankungen wie etwa eine Gürtelrose fördern und dadurch eine Nervenschädigung begünstigen.
Trotz ausführlicher ärztlicher Diagnostik bleibt bei jedem fünften Patienten die Ursache des Nervenleidens unklar. Mediziner sprechen dann von einer idiopathischen Polyneuropathie.
Zwar hat die Polyneuropathie keine Altersgrenze, betrifft jedoch oft ältere Menschen (über 65 Jahre). Mögliche Gründe sind, dass auch das Nervensystem Alterungsprozessen unterliegt und viele ältere Menschen oft unter mehreren Krankheiten leiden, zum Beispiel Diabetes mellitus, Leber- oder Nierenkrankheiten.
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Polyneuropathie: Diagnose
Für die Diagnose einer Polyneuropathie ist ein ausführliches Untersuchungsgespräch zwischen Ihnen und Ihrem Arzt oder der Ärztin sehr wichtig. Dadurch erfährt der Mediziner Ihre Krankengeschichte (Anamnese) und kann erste Rückschlüsse auf eine mögliche Erkrankung ziehen. Wichtig sind zum Beispiel folgende Fragen:
- Welche Symptome haben Sie und wann sind sie zum ersten Mal aufgetreten?
- Wie und an welchen Körperstellen äußern sie sich?
- Wie intensiv sind die Beschwerden?
- Haben Sie eine Grunderkrankung, etwa Diabetes oder eine Nierenerkrankung, die eine Nervenschädigung auslösen kann?
- Haben Sie Probleme beim Aufstehen aus dem Sessel, der Hocke oder beim Treppensteigen? (Hinweis auf eine proximale Nervenschwäche)
- Stolpern Sie öfters? (Hinweis auf eine distale Schwäche)
- Trinken Sie Alkohol und wenn ja, in welchen Mengen? (Hinweis auf eine alkoholbedingte Nervenschädigung)
- Haben Sie sich in der Vergangenheit einer Krebstherapie unterzogen oder nehmen Sie Medikamente ein, die eine Nervenschädigung begünstigen können?
Viele Ärzte verwenden hierfür auch einen standardisierten Fragebogen.
Anschließend führt ein Neurologe oder eine Neurologin eine körperliche Untersuchung durch und überprüft durch verschiedene Tests, ob eine Polyneuropathie vorliegen könnte. Diese Untersuchung kontrolliert:
- wie Ihre Reflexe funktionieren
- wie Ihre Motorik abläuft – haben Sie eine Muskelschwäche, etwa beim Zehen heben?
- ob Sie Sensibilitätsstörungen haben, etwa auf der Haut eine verminderte Druck- oder Berührungsempfindlichkeit
- ob Ihre Pupillen verlangsamt reagieren – dies kann ein Hinweis auf eine Schädigung der autonomen Nerven sein
Darüber hinaus können Ärzte bei Verdacht auf eine Polyneuropathie die Blutwerte im Labor bestimmen lassen. Beispiele sind die Nieren- und Leberwerte, der Blutzucker oder der Vitaminspiegel. Die Blutuntersuchung liefert unter anderem auch Hinweise auf einen Alkoholmissbrauch.
Außerdem können Ärztinnen spezielle Methoden nutzen, die weitere Rückschlüsse auf eine Polyneuropathie zulassen. Die wichtigsten sind:
- Elektromyografie: Das Verfahren misst elektrische Spannungen im Muskel. Neurologen können so eine Reizleitungsstörung der Nerven feststellen.
- Elektroneurografie: Bei dieser Methode leiten Ärzte Strom durch die peripheren Nervenbahnen. Eine verzögerte Weiterleitung der Signale kann auf eine Nervenschädigung hindeuten.
- Mit einer Stimmgabel kann der Arzt testen, wie empfindlich tiefer gelegenes Gewebe auf Vibrationen reagiert. Sie teilen dem Arzt mit, ab wann Sie die Schwingungen auf der Haut nicht mehr spüren.
- Thermode: Eine Methode, die mit computergesteuerten Temperaturreizen arbeitet. So lässt sich Ihr Temperaturempfinden überprüfen. Patienten mit einer Polyneuropathie nehmen Wärme meist erst ab höheren Temperaturen als 38 °C wahr.
- Nerven-Muskel-Biopsie: Dabei entnehmen Ärzte eine Gewebeprobe – meist aus dem Schienbein – und untersuchen sie anschließend im Labor. Die Biopsie kann helfen, die Ursache einer Polyneuropathie herauszufinden. So lässt sich zum Beispiel feststellen, ob die Nervenschädigung am Nerv selbst oder an seiner Schutzhülle (Myelinschicht) entstanden ist.
- Eine Lumbalpunktion, bei der Ärzte Flüssigkeit (Liquor) aus dem Rückenmark entnehmen, erfolgt nur, wenn die Ärzte andere Krankheiten (zum Beispiel eine Krebserkrankung) vermuten.
Quellen
- S1-Leitlinie: Diagnostik bei Polyneuropathien“ der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN); Stand: 01.04.2024
- Online Informationen Neurologen und Psychiater im Netz: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf: 28.07.2024
- Online Informationen Deutsche Hirnstiftung: hirnstiftung.org; Abruf: 28.07.2024
- Online Informationen Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.: www.dgm.org; Abruf: 29.07.2024
- Online Informationen Diabinfo – Das DiabetesInformationsportal: www.diabinfo.de; Abruf: 29.07.2024
- Online Informationen Deutsche Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de; Abruf: 29.07.2024
- Online Informationen Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: www.gesundheit.gv.at; Abruf: 29.07.2024
- Online Informationen Verbraucherzentrale: www.verbraucherzentrale.de; Abruf: 29.07.2024
- Online-Informationen DocCheck Lexikon: flexikon.doccheck.com; Abruf: 29.07.2024
- Online-Informationen Deutsche Krebsgesellschaft: www.krebsgesellschaft.de; Abruf: 29.07.2024