Was ist Multiple Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die das Nervensystem mit Gehirn und Rückenmark betrifft. Viele kürzen die Multiple Sklerose vereinfacht als MS ab. In der Fachsprache heißt die neurologische Erkrankung auch Encephalomyelitis disseminata. Übersetzt bedeutet dies so viel wie „verstreute Hirn- und Rückenmarksentzündung“. Dies trifft es eigentlich ganz gut, denn bei einer MS bilden sich oft mehrere Entzündungsherde an verschiedenen Stellen des Nervensystems. Die Multiple Sklerose kann sich auf das gesamte Gehirn und Rückenmark ausdehnen.
Multiple Sklerose: Definition
Multiple Sklerose stufen Ärzte laut Definition als Autoimmunerkrankung ein. Dabei geht das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen vor und zerstört sie. Im Fall der MS attackiert es die schützenden Umhüllungen der Nervenfasern, das sogenannte Myelin. Sie sind entscheidend für eine reibungslose Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Sind sie beschädigt, können die Neuronen keine Signale mehr austauschen und weiterleiten. Aber auch die Nervenfasern und -zellen selbst bleiben nicht verschont. Die MS zeigt sich daher auch durch Bewegungs- und Koordinationsstörungen sowie Lähmungen.
Warum das Immunsystem aus dem Ruder gerät und fälschlicherweise eigene Organe und Gewebe angreift, ist noch unklar. Eine Multiple Sklerose ist übrigens nicht ansteckend, auch wenn Forscher vermuten, dass Infektionen als Risikofaktoren eine Rolle spielen.
Multiple Sklerose: Häufigkeit und Alter
Weltweit leben mehr als zwei Millionen Menschen mit einer Multiplen Sklerose. In Deutschland schätzen Experten die Häufigkeit auf rund 230.000 Erkrankte. Jedes Jahr erhalten etwa 10.000 Menschen hierzulande die Diagnose „MS“ neu. Die Nervenerkrankung ist nicht gleichmäßig über den Erdball verteilt. Forscher haben beobachtet, dass die Erkrankungshäufigkeit mit der Entfernung vom Äquator steigt.
Auch zwischen den Geschlechtern gibt es deutliche Unterschiede. So erkranken Frauen ungefähr zwei- bis dreimal so oft an der Multiplen Sklerose (genauer: an der schubförmigen MS) wie Männer.
Das Alter bei der MS-Diagnose ist im Vergleich zu vielen anderen Erkrankungen jung. Zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr stellen Ärzte die Nervenerkrankung am häufigsten fest. Manchmal erkranken sogar schon Kinder oder Jugendliche. Im Alter von 60 Jahren und aufwärts sind MS-Diagnosen dagegen äußerst selten.
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Multiple Sklersoe: Krankheitsverlauf
Der Multiple Sklerose-Verlauf kann individuell sehr unterschiedlich sein. Ärzte können nicht genau vorhersagen, wie sich die Erkrankung ab dem Zeitpunkt der Diagnose entwickelt. Auch die Schwere der MS lässt sich oft nicht abschätzen. Mediziner wissen meist nicht, welche Körperfunktionen zukünftig beeinträchtigt sein werden und in welchem Ausmaß. Viele verbinden mit der Krankheit Multiple Sklerose, bald im Rollstuhl zu sitzen. Dies ist jedoch nur bei wenigen der Fall. Es gibt heute wirksame Behandlungen, die den Verlauf der MS günstig beeinflussen. So lässt sie sich oft bremsen oder wieder verbessern.
Ärzte unterscheiden verschiedene MS-Formen:
- Schubförmiger Verlauf (schubförmig-remittierende MS oder engl. relapsing-remitting MS = RRMS): Diese Form haben ungefähr 90 Prozent der Betroffenen, wenn die Multiple Sklerose beginnt. Auf einen Schub, bei dem sich im Nervensystem Entzündungsherde bilden, folgt eine entzündungsfreie Phase. Dann ist die Krankheitsaktivität niedrig, die Entzündungsherde kommen weitgehend zur Ruhe und die Symptome nehmen ab (oder verschwinden ganz). Wie viel Zeit zwischen zwei Schüben vergeht, lässt sich nicht vorhersagen. Es können Wochen, Monate oder sogar Jahre sein.
- Sekundär progredienter Verlauf (SPMS): Nach etwa zehn bis 15 Jahren geht die schubförmige MS bei bis zu 40 Prozent der Patienten in einen fortschreitenden Verlauf über. Nach über 20 Jahren ist dieser MS-Typ sogar bei 90 Prozent zu finden.
- Primär progredienter Verlauf (schleichend-fortschreitender Verlauf = PPMS): Bei etwa zehn Prozent der Patienten können Ärzte keinen Multiple Sklerose-Schub ausmachen. Die MS verschlechtert sich von Beginn an langsam, aber stetig.
Zudem gibt es noch das sogenannte Klinisch Isolierte Syndrom (KIS, engl. CIS). Hier lassen sich erste Symptome nachweisen, die auf eine MS hindeuten. Allerdings können Ärzte die Diagnose noch nicht stellen, weil weitere Kriterien für die Erkrankung fehlen.
Bei manchen MS-Patienten ist der Verlauf zeitlebens günstig. Andere sind durch leichte Behinderungen beeinträchtigt, können ihr Leben und ihren Alltag aber weitgehend selbstständig bestreiten. Bei einigen ist der Multiple Sklerose-Verlauf dagegen schwer und sie entwickeln massive Behinderungen - schlimmstenfalls bis hin zum Tod. Ein typisches Endstadium gibt der bei der MS jedoch nicht - im Gegensatz zu anderen Erkrankungen wie Krebs.
Multiple Sklerose: Lebenserwartung
Die Prognose bei MS lässt sich nicht allgemein vorhersagen, weil die Erkrankung individuell sehr unterschiedlich verläuft. Auch über die Lebenserwartung bei einer Multiplen Sklerose lassen sich kaum allgemeine Aussagen treffen. Die MS-Prognose hängt entscheidend von der Form der Erkrankung ab. Jeweils ungefähr ein Drittel:
- Zeigt zeitlebens einen günstigen Verlauf
- Leidet unter Behinderungen, aber die Selbstständigkeit bleibt erhalten
- Entwickelt schwere Behinderungen - im schlimmsten Fall kann die Multiple Sklerose tödlich enden.
Dank verbesserter Behandlungsmöglichkeiten hat sich die Prognose in den letzten Jahren zunehmend verbessert. Zudem beginnen Ärzte heute meist frühzeitig mit der Therapie, was sich ebenfalls günstig auf die MS-Prognose auswirkt. Ärzte haben jedoch einige Faktoren ausgemacht, die die Prognose ungünstig beeinflussen.
Dazu gehören zum Beispiel:
- später Krankheitsbeginn
- männliches Geschlecht
- zahlreiche verschiedene Symptome zu Beginn
- Schübe, die sich nicht wieder vollständig zurückbilden
- fortschreitender (progredienter) Verlauf
Multiple Sklerose: Ursachen
Die Ursachen der Multiplen Sklerose sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Vermutlich müssen mehrere Faktoren zusammenspielen, damit eine MS entsteht. Welche das sind und wie sie zusammenwirken, ist noch unklar. Forscher vermuten jedoch eine Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren.
Bekannt ist, dass das körpereigene Immunsystem die schützenden, isolierenden Nervenhüllen - das Myelin - attackiert und zerstört. Auch die Nervenfasern und Nervenzellen bleiben nicht verschont. Das Myelin beschleunigt normalerweise die Weiterleitung von Signalen zwischen den Nervenzellen, spielt also bei der reibungslosen Kommunikation eine wesentliche Rolle. Ist das Myelin nicht mehr intakt, verlangsamt sich die Weiterleitung der Impulse. Und dies macht sich durch verschiedene neurologische Symptome bemerkbar, etwa Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen.
❶ Gesundes Neuron: Signal läuft mittels Myelin an den Nervenfasern entlang
❷ Neuron bei MS: Signal wird durch beschädigtes Myelin langsamer vermittelt
Multiple Sklerose-Ursache: Fehlgeleitetes Immunsystem
Mediziner zählen die MS zu den Autoimmunerkrankungen. Warum das Immunsystem fehlgesteuert ist und sich gegen körpereigene Strukturen richtet, wissen Forscher nicht. Sie nehmen jedoch an, dass das Abwehrsystem bestimmte Eiweiße auf den Myelinzellen als „fremd“ und gefährlich einstuft und sie daher bekämpft.
Meist ist nicht das gesamte Nervensystem betroffen, sondern das Immunsystem attackiert nur bestimmte Bereiche – oft liegen sie im Gehirn. So entstehen vereinzelte und verstreute Entzündungsherde, die sich als Schub bemerkbar machen. Danach vernarbt das betroffene Nervengewebe und Teile des Nervensystems büßen ihre Funktion ein.
Auch wenn die genauen Ursachen der Multiplen Sklerose noch weitgehend im Dunkeln liegen - Wissenschaftler haben einige Risikofaktoren ausgemacht, die eine MS begünstigen können. Dazu gehören zum Beispiel:
- Erbliche Faktoren (Gene): In manchen Familien kommt die MS häufiger vor. Zwar gilt die Multiple Sklerose nicht nicht als klassische Erbkrankheit. Wohl aber können Eltern ihren Kindern die Neigung für die Nervenerkrankung mitgeben.
- Virusinfektionen, etwa mit Masern- und Herpes-Viren oder dem Epstein-Barr-Virus
- Vitamin D-Mangel – er gilt als Risikofaktor für verschiedene Krankheiten, auch für die MS
- Rauchen: Die MS betrifft Raucher öfters als Nichtraucher
- Übergewicht, Fettleibigkeit (Adipositas) – Fettgewebe produziert entzündungsfördernde Botenstoffe
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Multiple Sklerose: Symptome
Die Symptome einer Multiplen Sklerose können äußerst vielfältig sein. Zudem sind sie individuell oft stark unterschiedlich. Nicht jeder Patient erlebt also die gleichen Beschwerden in gleichem Ausmaß. Typisch für die MS ist zudem, dass sie meist in Schüben verläuft. Dann wechseln sich Phasen mit wenigen oder keinen Symptomen mit Intervallen ab, in denen die Entzündungen aufflammen und Beschwerden verursachen.
Multiple Sklersoe: Frühe Symptome
Eine MS zeigt sich oft schon durch frühe Symptome. „Klinisch Isoliertes Syndrom“, abgekürzt KIS (oder engl. CIS), nennen Ärzte den Beginn der Symptome bei einer Multiplen Sklerose. Meist gibt es folgende erste Anzeichen:
- Sehstörungen, z.B. verschwommen Sehen oder trübes Sehen wie durch ein Milchglas oder Nebel
- Gefühlsstörungen
- Müdigkeit, Erschöpfung
Diese Vorboten setzen innerhalb von Stunden oder Tagen ein und lassen sich auf einzelne Entzündungsherde im Gehirn zurückführen. In bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie sind sie sichtbar. Allerdings genügen solche frühen Symptome noch nicht, um eine sichere Diagnose „Multiple Sklerose“ zu stellen. Die Beschwerden können auch im Rahmen anderer Erkrankungen vorkommen, die Ärzte zunächst ausschließen müssen. Für die MS-Diagnose müssen die Entzündungsherde räumlich im Nervensystem verstreut sein und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Ärzte empfehlen dennoch heute, bei einem KIS sofort mit der Behandlung zu beginnen.
Wichtige Multiple Sklerose-Symptome im Überblick
MS zerstört das Myelin sowie die Nervenfasern und Nervenzellen. Daher betreffen die Symptome das gesamte zentrale Nervensystem mit dem Rückenmark und Gehirn – sowie sämtliche Funktionen, die diese steuern. Entsprechend vielfältig sind auch die Beschwerden bei einer MS.
Folgende Symptome können vorkommen:
- Sehstörungen, wenn die Multiple Sklerose die Augen und Sehnerven angreift: Verlust der Sehschärfe, Störungen des Farbensehens, Schmerzen bei Augenbewegungen, Doppelbilder, beeinträchtigtes Sehvermögen bis hin zur vorübergehenden Erblindung
- Gang- und Gleichgewichtsstörungen: Betroffene laufen unsicher und schwanken. Außenstehende interpretieren dies oft als Betrunkensein.
- Bewegungs- und Koordinationsstörungen: Patienten haben beispielsweise Schwierigkeiten, mit dem Finger auf die Nasenspitze zu tippen, ein Glas zu greifen oder die Zähne zu putzen. Oft erleben Menschen mit MS ein Zittern (Tremor)
- Empfindungs- und Gefühlsstörungen, etwa Kribbeln („Ameisenlaufen“), Brennen und Taubheitsgefühle an den Armen, Beinen oder am Rumpf
- Sprachstörungen: Die Sprache kling verwaschen oder abgehackt
- Kognitive Störungen: Das Denken, Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und Konzentration sind beeinträchtigt. Eine Persönlichkeitsveränderung bei Multipler Sklerose kann zum Beispiel sein, dass ein zuvor sehr fix denkender Mensch plötzlich deutlich langsamer beim Denken wird.
- Muskelschwäche und Lähmungen, etwa an den Extremitäten
- Schmerzen, etwa Kopfschmerzen, Gesichtsschmerzen (Trigeminusneuralgie), Muskelschmerzen (steife und verkrampfte Muskulatur), Rückenschmerzen
- Müdigkeit und rasche Erschöpfbarkeit besonders bei körperlicher Anstrengung und Fatigue (sehr starke Erschöpfung)
- Störungen der Blasen- und Darmfunktion: ständiger Harndrang, Harn- und Stuhlinkontinenz
- Störungen der Libido und Sexualfunktion: vermindertes Lustgefühl, Erektile Dysfunktion
- Psychische Veränderungen: Antriebsschwäche, depressive Verstimmungen bis hin zu Depressionen. Vermutlich sind diese Symptome eher die Folge einer MS, angesichts der Vielzahl der tiefgreifenden Beschwerden und Veränderungen.
Multiple Sklerose: Diagnose
Die Diagnose „Multiple Sklerose“ ist nicht ganz einfach zu stellen, weil es sehr viele verschiedene Symptome gibt. Und diese können auch im Rahmen anderer neurologischer Erkrankungen vorkommen. Ärzte führen daher eine sogenannte Ausschlussdiagnostik durch. Sie versuchen, andere Krankheiten mit ähnlichen Symptomen als Ursache abzugrenzen. Einen Multiple Sklerose-Test, mit dem sich die Nervenerkrankung eindeutig nachweisen ließe, gibt es nicht. Ärzte stützen sich immer auf verschiedene Untersuchungen und deren Ergebnisse.
MS-Diagnose: Krankengeschichte erfragen
Am Anfang steht immer das Gespräch zur Krankengeschichte zwischen Arzt und Patient. Interessant für die MS-Diagnose sind zum Beispiel folgende Fragen:
- Welche Symptome haben Sie genau?
- Wann haben Sie diese erstmals bemerkt?
- Wo würden Sie die Beschwerden lokalisieren?
- Wie ausgeprägt sind die Symptome?
- Haben sich die Symptome nach einiger Zeit wieder gebessert oder kontinuierlich verstärkt?
- Sind Krankheiten oder frühere Infektionen bei Ihnen bekannt?
- Nehmen Sie Medikamente ein?
- Gibt es schon Fälle von Multipler Sklerose (oder andere neurologische Erkrankungen) in Ihrer Familie?
- Sind Sie Raucher oder haben früher geraucht?
Aus Ihren Antworten können Ärzte schon erste Rückschlüsse auf die Ursache der Beschwerden ziehen. Dann schließt sich in der Regel eine körperliche Untersuchung an, bei der der Arzt verschiedene Körperbereiche abtastet und das Herz und die Lunge abhört. Standard ist meist auch die Bestimmung der Blutwerte beim Verdacht auf Multiple Sklerose. Im Rahmen der Blutuntersuchung fahnden Ärzte nach Auffälligkeiten, zum Beispiel Entzündungsanzeichen.
Weitere Untersuchungen zur Diagnose von Multipler Sklerose
- Neurologische Untersuchung: Der Arzt überprüft anhand verschiedener Tests die Funktion von Muskeln und Nerven. Er untersucht die Feinmotorik, Reflexe, Koordinationsfähigkeit, Muskelkraft, Muskelspannung, Sensibilität und das Gangbild. So lassen sich zudem andere Erkrankungen ausschließen, die ähnliche Symptome hervorrufen können. Beispiele sind Borreliose, HIV-Infektion oder Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen.
- Evozierte Potenziale: Bei dieser elektrophysiologischen Messung reizen Ärzte ausgewählte Nerven und bestimmen ihre Leitungsfähigkeit und -geschwindigkeit. Der Zustand der Sehnerven, des motorischen Systems oder der Gefühlswahrnehmung lassen sich durch diesen Test überprüfen.
- Liquoruntersuchung: Dabei entnehmen Ärzte mit einer feinen Nadel geringe Mengen Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Lumbalpunktion). Laborärzte analysieren sie anschließend auf verdächtige Stoffe, etwa bestimmte Eiweiße oder Zellen (sog. oligoklonale Banden), die bei MS vorkommen. Durch die Lumbalpunktion lassen sich ebenfalls andere Erkrankungen ausschließen.
- Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie): Die Methode arbeitet mit starken Magnetfeldern. Meist kommt beim Verdacht auf Multiple Sklerose zusätzlich ein Kontrastmittel zum Einsatz, um frische, aktive Entzündungsherde von älteren, inaktiven Entzündungen zu unterscheiden (sie nehmen kein Kontrastmittel auf). Beim MRT bilden Radiologen den Körper „scheibchenweise“ ab und erzeugen hochaufgelöste, detaillierte Schnittbilder. Entzündungsherde im Gehirn lassen sich gut im MRT erkennen.
MS-Diagnose nach Mc-Donald-Kriterien
Die Diagnose MS stellen Ärzte nach den sogenannten McDonald-Kriterien (2017). Dabei spielen die Anzahl der Schübe, der Nachweis frischer Entzündungsherde sowie die räumliche und zeitliche Verteilung von Schüben und Entzündungsherden eine Rolle.
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Multiple Sklerose: Welcher Arzt?
Wenn Sie ungewöhnliche Symptome verspüren, die Sie sich nicht erklären können und sich Sorgen machen: Suchen Sie zeitnah Ihren Hausarzt auf. Hat er den Verdacht, dass eine Multiple Sklerose hinter den Beschwerden stecken könnte, leitet er Sie an einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie weiter. Neurologen sind MS-Spezialisten und kennen sich bestens mit Nervenerkrankungen aller Art aus.
Wenn sich die Diagnose „MS“ bewahrheitet hat, kommen bei der Behandlung noch viele weitere Spezialisten verschiedener Fachrichtungen ins Spiel. Beispiele sind Augenärzte, Ergo- und Physiotherapeuten oder Psychologen.
Multipe Sklerose: Therapie
Die Behandlung der Multiplen Sklerose gehört immer in die Hände von Neurologen, die ausreichend Erfahrung mit der MS haben. Dennoch ist die Behandlung in der Regel Teamarbeit. Denn es gilt, verschiedene Beschwerden zu therapieren, das Fortschreiten der Krankheit zu bremsen und schwere Behinderungen zu vermeiden. Ziel der Behandlungen ist es, möglichst lange einen selbstständigen Alltag zu ermöglichen, die Berufsfähigkeit zu erhalten und die Lebensqualität und Lebensfreude beizubehalten oder zu verbessern. Eine MS ist nicht heilbar, lässt sich jedoch gut mit Medikamenten behandeln. Auch nicht-medikamentöse Behandlungsstrategien spielen eine wichtige Rolle.
Diese Säulen Multiple-Sklerose-Therapie gibt es:
- Therapie des akuten Schubs
- Verlaufsmodifizierende Behandlung – eine langfristige Behandlung, die den Verlauf günstig beeinflussen soll
- Symptomatische Behandlung – eine Therapie der verschiedenen Beschwerden sowie rehabilitative Maßnahmen
Daneben ist es empfohlen, bei einer Multiplen Sklerose den Vitamin D-Spiegel zu überprüfen. Ärzte gleichen ihn durch Nahrungsergänzungsmittel (Supplemente) mit Vitamin D aus.
Schubtherapie bei Multipler Sklerose: Medikamente und „Blutwäsche“
Ein MS-Schub bedeutet, dass zum ersten Mal oder erneut Symptome auftreten, die mindestens 24 Stunden anhalten. Dann bilden sie sich meist innerhalb von Tagen ganz oder teilweise zurück. Als Faustregel gilt: Zwischen zwei Schüben müssen mindestens 30 Tage liegen.
Folgende Behandlungen kommen in der Schubtherapie bei MS zum Einsatz:
- Glukokortikoide („Kortison“ oder Cortison): Ärzte verschreiben hochdosiertes Kortison, das Entzündungen hemmen und das Immunsystem dämpfen kann. Ein häufig eingesetzter Wirkstoff ist Methylprednisolon. Ärzte verabreichen ihn meist als Infusion mehrere (meist drei) Tage nacheinander. Die Behandlung können Patienten ambulant oder stationär durchführen. Eine Alternative sind Tabletten mit hochdosiertem Cortison. Wirkt das Medikament nicht ausreichend, können Ärzte die Kortisonbehandlung verlängern oder wiederholen – dann mit einer höheren Dosierung.
- Plasmapherese/Immunadsorption: Zeigt das Kortison nicht den gewünschten Erfolg, sind Plasmapherese bzw. Immunadsorption weitere Möglichkeiten der Schubtherapie bei MS. Ziel ist es, aus dem Blut jene schädlichen Stoffe zu entfernen, die beim Angriff auf das Myelin mithelfen. Ärzte entnehmen Blut über eine Vene und trennen im Labor das Blutplasma von den Blutzellen. Bei der Plasmapherese ersetzen sie das körpereigene Plasma durch fremdes Plasma oder Humanalbumin. Bei der Immunadsorption wird das körpereigene Plasma nicht verworfen, sondern durch einen weitere „Filter“ (Adsorber) geführt und gereinigt. In beiden Fällen erhalten Patienten das „gewaschene“ Blut wieder zurück. Der Prozess dauert ungefähr zwei bis vier Stunden und Ärzte wiederholen ihn in der Regel fünfmal – mit Pausen dazwischen.
Verlaufsmodifizierende MS-Therapie – Immuntherapie
Diese Behandlungsstrategie kommt langfristig bei einer Multiplen Sklerose zum Einsatz. Sie greift ins Immunsystem ein beziehungsweise dämpft es. So wollen Ärzte die Anzahl und Schwere der Schübe verringern und das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Schließlich geht es darum, schwerwiegende Behinderungen zu vermeiden. Es gibt zwei Prinzipien:
- Immunmodulatoren: Diese Medikamente können die Immunantwort beeinflussen und „umprogrammieren“, schwächen aber das Immunsystem nicht. Eventuell können sie auch helfen, geschädigtes Myelin wieder aufzubauen und die Bildung von Narben im Nervensystem zu verhindern.
- Immunsuppressiva: Diese Arzneien dämpfen die Aktivität des Immunsystems und verhindern so, dass es die Nervenhüllen, -fasern und -zellen attackiert.
Es gibt viele verschiedene (auch neuere) Multiple-Sklerose-Medikamente mit unterschiedlichen Wirkstoffen. Sie kommen beim Frühstadium der MS (KIS) sowie den verschiedenen MS-Formen zum Einsatz.
Klinisch Isoliertes Syndrom (KIS) – Medikamente
Diese Wirkstoffe können bei einem Klinisch Isolierten Syndrom helfen:
- Glatiramerazetat
- Interferon-beta-1a
- Peginterferon-beta-1a
- Interferon-beta-1b
Schubförmig remittierende MS
- Milde, moderate MS: Dimethylfumarat (Fumarsäure), Glatiramerazetat, Beta-Interferone (Interferon-beta-1a, Peginterferon-beta-1a, Interferon-beta-1b), Teriflunomid. Wirkstoff der zweiten Wahl ist Azathioprin.
Seit November 2021 ist ein neues Präparat in der EU zugelassen, das den Wirkstoff Diroximelfumarat enthält. Es verstärkt die Wirkung des Proteins Nrf2, das wiederum die Produktion von Antioxidantien erhöht. So trägt es dazu bei, die Aktivität des Immunsystems zu kontrollieren und die Schädigung des Rückenmarks und Gehirns zu reduzieren. - (Hoch)aktive MS: Natalizumab, Fingolimod, Ozanimod, Ocrelizumab, Rituximab, Alemtuzumab, Cladribin. Als Reservemedikamente: Mitoxantron und Cyclophosphamid (nicht für MS zugelassen, nur in Einzelfällen).
- Sekundäre progrediente MS: Beta-Interferone, Siponimod, Ocrelizumab, Rituximab Cladribin - in Ausnahmefällen Mitoxantron
- Primär progrediente MS: Ocrelizumab, Rituximab
Eine zukünftige Behandlungsmöglichkeit bei schubförmiger MS könnte die autologe Stammzelltransplantation sein. Dabei sind Spender und Empfänger dieselbe Person. Der Patient erhält seine Blutstammzellen wieder zurück, die ihm zuvor aus dem Knochenmark oder Blut entnommen und wurden und eine Art „Reboot“ (Neustart) durchlaufen. Hier müssen aber erst noch weiter Studien zur Wirksamkeit folgen.
Symptomatische Multiple Sklerose-Therapie
Darüber hinaus setzen Ärzte Behandlungen ein, welche die Symptome der Multiplen Sklerose lindern. Es gibt medikamentöse und nicht-medikamentöse Behandlungen gegen die sehr vielfältigen Beschwerden der MS – von Fatigue, Bewegungs-, Gang- Seh- und Sprechstörungen bis hin zu Problemen mit der Blasen- und Darmfunktion. Auch die Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil der symptomatischen MS-Therapie. Ärzte, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten oder Logopäden können die Beschwerden in vielen Fällen lindern. So lässt sich oft die Lebensqualität verbessern oder zumindest aufrechterhalten.
Zudem können Entspannungsmethoden wie Yoga, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder ein Achtsamkeitstraining helfen. Auch sanfte Bewegungsarten wie Yoga, Tai Chi oder Qigong tun vielen gut. Sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt, bevor Sie diese anwenden.
Multiple Sklerose: Selbsthilfe
Hilfreich kann auch eine Multiple Sklerose-Selbsthilfegruppe sein. Dort finden Sie andere MS-Patienten, denen es vermutlich ähnlich ergeht wie Ihnen. Sie bieten oft wertvollen Rat und Hilfe. Andere Betroffene können oft Tipps für den Umgang mit der MS im Alltag geben, die sie aus eigener Erfahrung gewonnen haben. Adressen und Infos finden Sie zum Beispiel auf der Website der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Dort gibt es ein Forum für Betroffene sowie ein Expertenforum, in dem Sie MS-Spezialisten Ihre Fragen stellen können.
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Multiple Sklerose: Ernährung könnte beteiligt sein
Die Ernährung könnte bei der Multiplen Sklerose grundsätzlich von Bedeutung sein. Studien legen nahe, dass die Darmflora eine wichtige Rolle bei neurologischen Erkrankungen wie der MS spielt. Der Grund für diese Annahme ist, dass der Darm Millionen von Mikroorganismen beherbergt und ein wichtiger Sitz des Immunsystems ist. Experten sprechen bei dieser Verbindung auch von „Darm-Hirn-Achse“.
Die aktuellen Erkenntnisse zur Multiplen Sklerose und Ernährung lassen sich so zusammenfassen:
- Die Ernährung könnte den oxidativen Stress durch aggressive freie Radikale, der bei einer MS auftritt, positiv beeinflussen. Antioxidantien, die solche freien Radikale abfangen und unschädlich machen, zeigten zwar Effekte in Experimenten, allerdings ließ sich bisher keine einheitliche Wirkung bei MS belegen.
- Das Gleiche gilt für Inhaltsstoffe aus der Nahrung, die den Energiehaushalt sowie die Funktion und Regeneration der Nerven unterstützen.
- Zu speziellen Ernährungsweisen und MS-Diäten gibt es bislang keine ausreichenden Untersuchungen, die einen positiven Effekt belegen.
- Nachgewiesen ist, dass Vitamin-Mangel-Zustände das Risiko für eine Multiple Sklerose erhöhen, allen voran ein Mangel an Vitamin D. Daher gleichen Ärzte ihn auch im Rahmen der Behandlung aus.
- Forscher untersuchen zudem in weiteren Studien, welche Rolle kurzkettige Fettsäuren wie die Propionsäure bei MS spielen. Diese dienen den Zellen der Darmschleimhaut als Energielieferanten.
- Eine fettreiche Ernährung, die in Übergewicht oder Fettleibigkeit (Adipositas) mündet, kann das MS-Risiko erhöhen.
- Nicht ausreichend untersucht ist, ob eine salzreiche Ernährung dieses Risiko ebenfalls steigert.
- Ein üblicher Konsum von Alkohol scheint die Gefahr, an MS zu erkranken, nicht zu erhöhen.
Zusammengefasst: Menschen mit einer Multiplen Sklerose sollten sich möglichst gesund, ausgewogen und abwechslungsreich ernähren. Ratsam ist zum Beispiel der Konsum von viel frischem Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukten. Sie enthalten viele Vitamine, Mineralien, Kohlenhydrate, Eiweiße und Ballaststoffe. Zudem sollen Sie Fette aus pflanzlichen Quellen bevorzugen und mehr Fisch als Fleisch und Wurstwaren auf den Teller bringen. Als Orientierung dienen die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).
Quellen
- S2k-Leitlinie: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose (Deutsche Gesellschaft für Neurologie); Stand: 18.08.2020
- Online-Informationen Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V. (DMSG): www.dmsg.de; Abruf: 19.12.2020
- Online-Informationen Neurologen und Psychiater im Netz: www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org; Abruf: 19.12.2020
- Online-Informationen Kompetenznetz Multiple Sklerose: www.kompetenznetz-multiplesklerose.de; Abruf: 20.12.2020
- Online-Informationen Amsel: www.amsel.de; Abruf: 20.12.2020
- Online-Informationen: AMBOSS: www.amboss.com; Abruf: 20.12.2020
- Online-Informationen European Medicines Agency (EMA): www.ema.europa.eu; Abruf: 28.03.2022
- Online-Informationen Multiple Sklerose Gesellschaft Wien: www.msges.at; Abruf: 28.03.2022