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Neuartige Viruserkrankungen und Pandemien sind das Spezialgebiet von Christian Drosten. 2003 war der Virologe maßgeblich an der Entdeckung des SARS-Erregers beteiligt, der lebensbedrohliche Atemwegsbeschwerden auslösen kann. In seinem Büro an der Berliner Charité geht es aber zunächst um die nützlichen Seiten der Viren.
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© Steffen Roth
Der Humanmediziner und Virologe leitet das Institut für Virologie an der Berliner Charité. Er gehörte zu den Mitentdeckern des SARS-Virus - Drosten entwickelte den Diagnostik-Test.
Herr Drosten, was können Viren – außer Menschen krank zu machen?
Das Bild, das viele von den „bösen“ Viren haben, wandelt sich. Sie sind eine Stellgröße in der Natur, die sich aus gutem Grund über Jahrmillionen gebildet hat. Ohne sie würden viele Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten. Viren befallen etwa Füchse, wenn ihre Beute, die Hasen, eine Pause braucht. Oder die Hasen, damit sich die Karotten erholen können. Selbst Karotten haben Virusinfektionen.
Woher wissen Viren, wer eine Pause braucht?
Es ist nicht mehr als Zufall. Viren sind in unserer Umwelt allgegenwärtig. Ihre evolutionäre Strategie ist, sich fortzupflanzen. Das kann ein Virus nicht selbst, es braucht dazu eine lebendige Zelle, die es in Bakterien, Pflanzen, Tieren und Menschen findet. Wenn nun Hasen zu wenig Futter haben, sind sie schwächer. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus es schafft, das Tier zu infizieren.
Machen sich Viren bei Menschen nützlich?
Die aktuelle Forschung zeigt, dass die Viren der Bakterien im Darm, die sogenannten Phagen, die Darmflora der Menschen regulieren und damit auch das Immunsystem etwa der Schleimhäute beeinflussen. Viren helfen, die Darmschleimhautzellen in steter Alarmbereitschaft zu halten, sodass sich der Darm trotz aller Infektionsvorgänge nicht entzündet. Gerade herrscht unter Wissenschaftlern auch eine neue Euphorie für virale Therapiemöglichkeiten.
Was macht Viren aus?
Die kleinen infektiösen Partikel verursachen viele Krankheiten. Sie sind darauf spezialisiert, in Körperzellen einzudringen und dort neue Viren zu produzieren.
- Sie brauchen einen Wirt: Viren haben anders als Bakterien keinen eigenen Stoffwechsel.
- Sie sind winzig und simpel gebaut: Manche Viren bestehen nur aus ihrer Erbinforma-tion, reiner DNA (oder RNA).
- Sie haben viele Formen: kugelrund wie ein Fußball inklusive (Protein-)Lederflecken, wurm-, stäbchen- oder spiralförmig, vielgestaltig und wabbelig.
- Sie wollen sich vermehren: Sobald ein Virus die Wirtszelle infiziert hat, programmiert es sie zu einer Virusfabrik um, um seine Erbinformation zu vervielfältigen – so lange, bis die Zelle platzt und dabei Tausende Viruspartikel freisetzt.
- Sie sind extrem anpassungsfähig: Viren mutieren und verändern sich stetig – und tricksen so unsere Abwehr aus.
Und in den Höhlen lauern auch die zukünftigen Viruskrankheiten für Menschen?
Davon gehen wir aus und bereiten uns vor, indem wir schauen, welche Sorten Viren es dort gibt. Die Herausforderung ist, sie lesen zu können, sie als Virus zu erkennen – so wie ein Archäologe Hieroglyphen entziffern muss. Feldforschung bringt uns weiter: Tiere fangen, Proben nehmen, DNA identifizieren, dokumentieren. Je mehr wir sehen, desto besser können wir unbekannte Viren einschätzen.
Wie kann man sich auf Seuchen vorbereiten?
Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe: Der Staat soll die Menschen vor Reaktorunfällen schützen, Gleiches gilt für Pandemien. Das rechtfertigt, dass Deutschland sich mehr im Ausland engagiert, das Krankheitsgeschehen spielt sich weltweit ab. Da geht es darum, Krankenhäuser zu verbessern, Entwicklungshilfe in der Landwirtschaft und Naturschutz voranzubringen.
Das Interview finden Sie auch in FOCUS-GESUNDHEIT „Starke Abwehr", zusammen mit vielen weiteren Artikeln zu den Themen Infektionskrankheiten und Immunsystem – erhältlich als Print-Heft oder als digitale Ausgabe.