Ganz ohne Fleisch – eine einschneidende Ernährungsumstellung. Und doch entscheiden sich viele Menschen dazu, Vegetarier zu werden. Auf etwa zehn Prozent schätzt der Vegetarierbund (VEBU) die Gesamtzahl in Deutschland inzwischen. Vegetarisch lebende Menschen ernähren sich überwiegend oder ausschließlich von pflanzlichen Nahrungsmitteln. Während Ovo-Lakto-Vegetarier noch Ei- und Milchprodukte verzehren, verzichten Veganer auf alle Lebensmittel und Produkte tierischen Ursprungs. Aber ist die Ernährungsform wirklich so gesund für den Körper?
Vorteile einer vegetarischen Ernährung
Die Risikofaktoren für viele chronische Krankheiten können durch eine überwiegend pflanzliche Ernährung verringert werden. Grund könnte ein hoher Konsum von cholesterinsenkenden Lebensmitteln, wie zum Beispiel Sojabohnen, Hülsenfrüchten, Nüssen und Pflanzenölen sein. Eine weitere Erklärung: Vegetarier nehmen weniger Gesamt- und gesättigte Fettsäuren zu sich. Gesättigte Fettsäuren stecken größtenteils in tierischen Produkten. Ein hoher Konsum wirkt negativ auf die Herzgesundheit.
Eine fleischlose Diät führt zu:
- verbesserten Cholesterin-Werten
- besseren Blutzuckerwerten
- einem niedrigeren Blutdruck
- einem niedrigeren Body-Mass-Index (BMI), da durch überwiegend pflanzliche Ernährung die Energieaufnahme geringer ist
Schutz vor Herzerkrankungen
Hilfe beim Abnehmen und Diabetes-Typ-2
- Pflanzliche Lebensmittel enthalten meist viel Wasser und Ballaststoffe. Dieselbe Menge vegetarischer Nahrung hat also insgesamt weniger Kalorien als Fleisch.
- Eine vegetarische Ernährung verändert unser Darmmikrobiom, also die Zusammensetzung von Mikroorganismen im Verdauungstrakt, welche unseren Energiehaushalt und das Sättigungsgefühl beeinflussen.
- Der Verzehr pflanzlicher Nahrung erhöht die Insulinsensitivität, also wie sensibel Organe auf Insulin reagieren und führt damit zu einem höheren Fettabbau.
- Sekundäre Pflanzenstoffe, insbesondere Polyphenole, wirken sich positiv auf das Körperfett aus und unterstützen das Abnehmen.
Behandlung bei Nieren- und Harnwegserkrankungen
Vegetarier haben ein um 16 Prozent geringeres Risiko für Harnwegsinfektionen. Das fand eine taiwanische Forschergruppe heraus, welche die Ernährung von mehr als 12.000 Menschen und die Auswirkung auf deren Körper über neun Jahre analysierte. Warum Vegetarier seltener an Harnwegsinfekten erkrankten, erklärten sie sich so:
- Eine pflanzliche Ernährung verändert das Mikrobiom.
- E.coli-Bakterien, die Harnwegsinfektionen hauptsächlich verursachen (sogenannte extraintestinal pathogene E.coli ExPEC), kommen vermehrt in Fleisch vor.
- Die ballaststoffreiche Ernährung vieler Vegetarier kann das Wachstum von E.coli verhindern, da der pH-Wert im Darm verringert wird.
Höhere Lebenserwartung und Krebsrisiko
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Risiken einer vegetarischen Ernährung
Proteine (Eiweiß)
Im vergangenen Jahrhundert ist die Proteinaufnahme in westlichen Ländern deutlich gestiegen. Im Durchschnitt nimmt ein Erwachsener heutzutage doppelt so viel Eiweiß auf, als der Körper braucht. Bei einer pflanzlichen Ernährung ist die Proteinaufnahme zwar oft geringer, jedoch trotzdem ausreichend. Es wird häufig behauptet, dass Vegetarier zu wenig Aminosäuren über die Nahrung aufnehmen. Aminosäuren sind Eiweißbestandteile, die wichtige Aufgaben im Körper erfüllen. Sie sind beispielsweise am Zell- und Knochenaufbau beteiligt. Es stimmt zwar, dass die Verteilung der Aminosäuren in pflanzlichen Lebensmitteln weniger optimal ist, der Bedarf kann aber mit einer abwechslungsreichen Ernährung mehr als ausreichend gedeckt werden.
Vitamin B12
Vitamin B12 steckt größtenteils in tierischen Lebensmitteln, also in Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten, Eiern und Milchprodukten. In pflanzlichen Lebensmitteln ist es wenig bis kaum vorhanden. Gute Quellen sind daher: Käse, Eier und Algen. Vegetarier sollten ihren Vitamin-B-12-Status regelmäßig ärztlich überprüfen lassen, um festzustellen, ob ihre Ernährung den Tagesbedarf ausreichend deckt.
Eisen
Für wen ist eine vegetarische Ernährung empfehlenswert?
Eine gut geplante, vielseitige vegetarische Ernährung ist laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als Dauerkost für alle geeignet, solange auch Milch und Milchprodukte verzehrt werden. Eine vegane Ernährung erfordert Kenntnisse zu Nährstoffen, zum Bedarf und zur Zusammenstellung der Lebensmittel.
Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche haben einen besonders hohen Nährstoffbedarf. Bei diesen Gruppen ist eine vegane Ernährung nicht empfehlenswert, eine vegetarische sollte ärztlich überwacht werden.
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Wie aussagekräftig sind Vegetarier-Studien?
Für Forscher sind Ernährungsstudien immer eine Herausforderung. Um zum Beispiel eindeutige Zusammenhänge zwischen Fleischkonsum und den gesundheitlichen Auswirkungen herzustellen, müssten alle Studienteilnehmer den exakt gleichen Lebensstil haben. Menschen, die sich vegetarisch ernähren, leben meist allgemein sehr gesundheitsbewusst: Sie rauchen seltener, trinken weniger Alkohol, treiben mehr Sport und ernähren sich gesünder als Fleischesser. Auch wenn viele Forscher versuchen, diesen Effekt in ihren Studien auszugleichen, können sie nie ganz ausschließen, dass der Lebensstil Einfluss auf das Erkrankungsrisiko genommen hat.
Vegetarische Ernährung: Ja oder Nein?
Eine überwiegend pflanzliche Ernährung wirkt sich positiv auf den Körper aus und senkt das Risiko für viele chronische Krankheiten. Das gilt allerdings nur, wenn sich die Person auch ausgewogen und abwechslungsreich ernährt. Die positiven Effekte bleiben aus, wenn ein Vegetarier jeden Tag nur Pommes und Süßigkeiten isst. Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, ihre Ernährung umzustellen, ist etwas Recherche zu den Lebensmitteln und ihren Inhaltsstoffen notwendig. Wer vegetarisch lebt, sollte außerdem regelmäßig beim Arzt ein Blutbild machen lassen, um mögliche Mangelerscheinungen frühzeitig zu erkennen.
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